Nebenverdienst für Polizisten

Hüter von Recht und Ordnung bekommen Geld, wenn sie vor Gericht als Zeugen auftreten müssen – weil es für sie „nicht angenehm ist, kritische Fragen beantworten zu müssen.“  

Zwei Polizisten in Uniform sitzen mit dem Beschuldigten Christian Stübi im Zofinger Gerichtssaal. Stübi soll ohne Sicherheitsgurten gefahren sein. Der Automobilist sieht das anders und hat die Busse angefochten.

Die Verhandlung beginnt mit einer Überraschung: Gerichtspräsident Peter Wullschleger drückt den Hütern von Recht und Ordnung Formulare in die Hand, damit sie nach der Einvernahme bei der Gerichtskasse ihr Zeugengeld abholen können. Und wirklich: Nach kurzer Verhandlung bestätigt der Richter die Busse und auferlegt Stübi neben Gerichtskosten und Kanzleiauslagen auch 48 Franken Zeugengeld für die Polizisten.

Beide Polizisten waren im Dienst, als sie vor Gericht erschienen. Der eine musste im gleichen Gebäude einen Stock höher steigen, da sich die Regionalpolizei im gleichen Gebäude befindet. Der andere fuhr mit dem Dienstwagen an. «Das geht doch nicht», empört sich Christian Stübi. «Polizisten, die mit ihrer Anzeige eine Verhandlung überhaupt erst ausgelöst haben, die im Dienst sind und keine Auslagen haben, bekommen noch Geld für eine Zeugenaussage!» Da müsse sich ja jeder Beamte freuen, wenn ein Automobilist eine Busse nicht akzeptiere, weil er so zusätzlich verdienen könne.

Gerichtspräsident Wullschleger widerspricht. «Es ist für Polizisten nicht angenehm, vor Gericht kritische Fragen beantworten zu müssen», erklärt er. Gemäss Gesetz hätten deshalb auch Polizisten grundsätzlich Anspruch auf 13 Franken Zeugengeld pro Stunde, genauso wie jeder andere Zeuge. Auch im Kanton Bern erhalten Polizisten Zeugengeld. Und auch Christine Schaer, Gerichtspräsidentin des Kreisgerichts Bern-Laupen, verteidigt die gesetzliche Regelung: «Es gehört ja nicht zu den normalen Tätigkeiten eines Polizisten, Zeuge zu sein.»

In Zürich sieht man das indes anders. «Polizisten können weder Lohnausfall noch Spesen geltend machen, weil eine Zeugenaussage zu ihrem Job gehört», sagt Hans Jost Zemp, der als stellvertretender Statthalter des Bezirks Zürich auch Bussenverfahren durchführt. «Und eine Entschädigung wegen der seelischen Unbill, vor Gericht als Zeuge auftreten zu müssen, sprechen wir Polizisten nicht zu.»

Seit Anfang Jahr sollte eigentlich in der ganzen Schweiz das gleiche Strafverfahrensrecht gelten. Doch was zu den normalen Tätigkeiten eines Polizisten gehört, ist offenbar noch immer umstritten. Immerhin: Vor Bezirksgericht Zofingen verzichten gemäss Gerichtspräsident Peter Wullschleger rund die Hälfte der vorgeladenen Polizisten freiwillig auf das Zeugengeld. Im Fall des mutmasslichen Verkehrssünders Christian Stübi taten sie es nicht.

Polizeidatenbank: St. Gallen machts vor

Was die Zürcher Kantonspolizei nicht kann, macht St. Gallen problemlos und schon lange: Einträge in die Polizeidatenbank löschen, wenn Leute durch Verwechslung ins Visier der Ermittler geraten sind oder freigesprochen wurden.

Der Kanton Zürich weigert sich partout, Einträge in der Polizeidatenbank Polis zu löschen, auch wenn Leute durch blosse Verwechslung ins Visier von Polizei und Strafbehörden geraten sind (vgl. Justizblog-Eintrag). Die Kapo Zürich wehrt sich dagegen, obwohl das Bundesgericht bei Verwechslung ausdrücklich eine Löschung verlangt. Das Argument der Zürcher Polizei: Polizeiliches Handeln müsse dokumentiert bleiben.

Deshalb bastelt Zürich nun mit grossem Aufwand an einer Aufteilung der Polizeidatenbank in ein operatives System und ein Archiv mit beschränktem Zugriff herum. Sobald also jemand ein eingestelltes Verfahren meldet (und das muss im Kanton Zürich der Bürger selbst! – vgl. dazu den aktuellen Beobachter), sei der Eintrag über dieses Verfahren nur noch von 50 der 4500 operativen Zürcher Polizisten einsehbar.

Tatsache ist nun aber, dass auch der operative Polizist noch Zugriff hat, wenn er nicht nach Personen, sondern nach Ereignisort die Datenbank befragt wie Marcel Strebel, Mediensprecher der Kapo, auf Anfrage bestätigt.

In St. Gallen schüttelt man ob der Ängste der Zürcher Polizei und der illegalen  und komplizierten Lösung nur den Kopf: „Im Kanton St. Gallen ist die Löschung und Vernichtung von Daten/Akten bei Freispruch gesetzlich vorgesehen und institutionalisiert“, schreibt Kripo-Chef Bruno Fehr dem Justizblog. Das verlange das Gesetz auch bei der Einstellung eines Verfahrens (Art. 28 Abs. 4 der Verordnung über das Informationssystem der Kantonspolizei).

Und nicht nur das: Diese Löschungen passieren von Amtes wegen und erst Recht auf Begehren des Bürgers. Dabei spielt es gemäss Kripo-Chef Fehr auch keine Rolle, aus welchem Grund ein Strafverfahren eingestellt wird – ob wegen Verwechslung oder mangels Beweisen. „Bei Verwechslung gehe ich davon aus, dass ein Löschungsgrund schon von Amtes wegen vorliegt, zumal in diesem Fall auch polizeilich kein weiteres begründetes Interesse an einer Aufbewahrung der Daten/Akten besteht.“

Liebe Kapo Zürich geht doch in St. Gallen mal in die Lehre.

Ihr habt die Löschung der Datenbankeinträge selbst 14-jährigen Jugendlichen verwehrt, die aufgrund einer völlig falschen Anschuldigung eines Mitschülers in ein Strafverfahren wegen Raubes geraten sind (vgl. Beobachter 14/09). Was für ein Interesse an der Aufbewahrung dieser Daten habt Ihr noch?

Polizeidatenbank über Jugendtreffs

Die Polizei des Kantons Zürich führt ein Informationssystem über Jugendtreffs, Drogen-, Sex- und Milieulokalitäten.

Als Bürger eines modernen Staates gehört es zu den spannenderen Tätigkeiten, Einsicht in Datenbanken zu verlangen. Dabei erhält man nämlich Einblick in die Datenströme unterhalb unserer offiziellen Schweiz.

So ersuchte ich Anfang September ganz naiv um Einsicht in die Zürcher Polizeidatenbank Polis. Die Antwort kam prompt und umfassend: Ich bin clean und polizeilich nicht erfasst.

Doch ein zweiter Blick in die Auskunft des Zentral-Archivs der Kriminal-Innenabteilung der Kantonspolizei Zürich liess meine Pupillen vor Staunen weiter werden: Die Kantonspolizei führt nicht weniger als 15 Datenbanken.

Darunter so spannende Register wie das «Informationssystem über Asylunterkünfte, Ausländerclubs, Jugendtreffs, Drogen-, Sex- und Milieulokalitäten», das «Face Recognition System» oder die «Taxidatei». Entschuldigung: Wie genau erhebt die Polizei Daten in Jugendtreffs, Drogen-, Sex- und Milieulokalitäten? Was wird da registriert? Wer alles wird im Face Recognition System gespeichert und was soll eine Taxidatei?

Wer ebenfalls solch spannende Auskünfte über den modernen Staat und die dort aufbewahrten Personalien erfragen will, stelle ein Gesuch an die Kantonspolizei Zürich, Kriminal-Innenabteilung, Zentral-Archiv, Postfach, 8021 Zürich mit folgendem Wortlaut:

«Sehr geehrte Damen und Herren hiermit möchte ich gestützt auf §20 IDG sowie §12 Polis-Verordnung gerne Auskunft darüber, welche Angaben über mich in den Polizeidatenbanken des Kantons Zürich vermerkt sind. Ich bitte Sie um Mitteilung sämtlicher Einträge.»

Nimmt mich wunder, worauf Ihr stosst.

Zürcher Polizei: Videokameras im Schlafzimmer

Heute entschied das Bundesgericht, dass  es verfassungswidrig ist, wenn die Polizei nach neuem Zürcher Polizeigesetz generell mit Videokameras offen oder verdeckt den öffentlichen Raum überwachen kann. Wie die Zürcher Kantonspolizei auf Private Druck ausübt, um Videokameras im privaten Raum für die verdeckte Überwachung installieren zu können, zeigt der aktuelle Beobachter.

Das Bundesgericht hat gestern das neue Zürcher Polizeigesetz, das erst am 1. Juli in Kraft getreten ist, in drei Punkten für verfassungswidrig erklärt. Hauptsächlich betrifft dies den Paragraphen über die Videoüberwachung. Dieser erlaubte der Polizei eine offene oder verdeckte Überwachung im öffentlichen Raum.  Gemäss Bundesgerichtsurteil von gestern 30. September 2009 ist das aber ein unzulässiger Eingriff in die persönliche Freiheit und die Privatsphäre der Bürger.

Wie die Zürcher Polizei vorging, um in privaten Räumen Videokameras zu installieren, die ihr erlauben sollten, den öffentlichen Raum zu überwachen, erlebte der 39-jährige Francesco Spano.

Anfang August klingelt es morgens an seiner Wohnungstüre in Zürich. Ein Mann in Zivil stellt sich als Kantonspolizist vor, kommt in die Wohnung und will das Schlafzimmer sehen. Da werde für sechs Wochen eine Videokamera der Zürcher Kantonspolizei installiert, um den Platz vor dem Haus zu überwachen. «Ich sagte ihm deutlich, dass ich das nicht wolle», erzählt Spano, ein Secondo, der als Magaziner in der Migros arbeitet. Doch der Beamte habe ihn belehrt, er sei verpflichtet, die Videokamera zu dulden.

Weiter will der Gesetzeshüter einen Wohnungsschlüssel und Spanos Arbeitsplan, damit die Polizei den Film der Kamera alle zwei Tage auswechseln kann. Im Übrigen solle er die Sache niemandem erzählen, auch dem Hauswart nicht. Nachmittags kommt ein zweiter Polizist, um mit Spano einen Termin für die Installation zu vereinbaren. Erneut wehrt sich dieser vergeblich. Spano geht zur Hauptwache der Kantonspolizei, um sich zu erkundigen, ob das alles rechtmässig sei. Ja, alles korrekt, sagt man ihm am dortigen Informationsschalter.

Eingeschüchtert bittet Spano seine Kollegin Cinzia Guardia, ihm beizustehen. Guardia informiert sich beim BeobachterBeratungszentrum und erfährt, dass es ohne richterliche Anordnung keine Pflicht gibt, eine Videokamera der Polizei im Schlafzimmer zu dulden.

Deshalb fordert Guardia eine richterliche Verfügung, als der dritte Polizist zum vereinbarten Termin an der Haustür läutet. Die habe er nicht, meint er. Alles sei aber bereits mit Herrn Spano abgesprochen. Nein, sei es nicht, widerspricht Guardia. Ihr Bekannter wünsche keine Videokamera im Schlafzimmer. Basta. Spano nickt.

In dem Fall könne man nichts machen, sagt der Polizist und tritt den Rückzug an. Offenbar gebe es ein Missverständnis. «Dann hat er sich für die schlechte Arbeit seiner Kollegen entschuldigt», erzählt Guardia. Und fügt bei, sie sei nicht prinzipiell gegen Polizei, aber gegen solch amateurhaftes Vorgehen. «Da hat doch die Polizei versucht, einen einfachen Bürger zu übertölpeln.»

Die Polizei sieht keine Fehler im Verhalten ihrer Korps-Mitglieder. «Unsere Mitarbeiter fragten Herrn Spano an und erläuterten ihr Anliegen», meint der Mediensprecher. «Er zeigte Verständnis und war aus freien Stücken bereit, mit der Kantonspolizei zu kooperieren.» Als plötzlich erkennbar geworden sei, dass die Freiwilligkeit nicht mehr gegeben war, habe sich die Kantonspolizei zurückgezogen. Druckversuche habe es zu keiner Zeit gegeben.

Aussage steht gegen Aussage. War das Ganze vielleicht nur ein Missverständnis – wenn auch dreimal dasselbe? «Nein», erwidert Francesco Spano. «Ich verstand bereits beim ersten Mal sehr gut, was die Polizei wollte.» Und: «‹Nein› ist auch in Deutsch kein sehr schwieriges Wort.»

Zürcher Polizei speichert Daten illegal

Die Rechtslage ist klar, doch die Zürcher Kantonspolizei foutiert sich darum: Vier 14-Jährige wurden letztes Jahr des Raubes verdächtigt und 26 Stunden in Haft genommen, bis sich zeigte, dass ein psychisch kranker Mitschüler sie zu Unrecht angezeigt hatte. Die Verfahren wurden sang- und klanglos eingestellt. Die Jugendlichen erhielten ein Schmerzensgeld von je 100 Franken (vgl. Beobachter 14/09).

Die Kantonspolizei Zürich zeigt sich aber weiter renitent: Sie weigert sich bis heute, die Einträge zum Strafverfahren gegen die vier Jugendlichen aus der Polizeidatenbank Polis zu entfernen. Und dies obwohl das Bundesgericht in einem neuen Entscheid (1C_51/2008) klipp und klar sagt, dass die Polizei sämtliche Daten löschen muss, wenn „der Betroffene versehentlich in eine Strafuntersuchung geraten ist.“

Genau dies ist den vier Jugendlichen passiert. Trotzdem löscht die Kantonspolizei die Einträge nicht. „Das Interesse an einer lückenlosen Dokumentation polizeilichen Handelns überwiegt das Interesse des Betroffenen an einer Löschung“, schreibt Polizeikommandant Thomas Würgler den Eltern der Jugendlichen, nachdem diese die Löschung verlangt haben. Man habe in der Datenbank vermerkt, dass das Verfahren eingestellt worden sei, und habe den Zugriff auf einen eng begrenzten Personenkreis eingeschränkt, meint Würgler.

Schön, nur: Das Bundesgericht verlangt unmissverständlich die Löschung der Daten. Weshalb kann die Zürcher Kantonspolizei Urteile des höchsten Schweizer Gerichts nicht einfach umsetzen?