Anwalt müsste man sein

Der Anwaltsberuf ist ein Traumberuf: Wenn Rechtsanwälte Erfolg haben, sahnen sie ab. Wenn sie scheitern, können sie trotzdem ihren Aufwand in Rechnung stellen. Und wenn Anwälte gar mies arbeiten, erfährt es niemand.

Gewinnt ein Rechtsanwalt vor Gericht , kann er sein  Honorar ohne Rücksprache mit dem Mandanten um bis das Dreifache erhöhen. Wenn er aber verliert, darf er nicht nur den normalen Tarif verrechnen, sondern muss dies sogar tun. Diese erstaunliche Praxis hat das  Bundesgericht eben erst abgesegnet (BGE 135 III 259).

Ein Genfer Anwalt hatte sein Honorar von 600’000 Franken auf 2.1 Millionen Franken heraufgesetzt, als er eine Forderung von 80 Millionen erfolgreich eingetrieben hatte. Das Bundesgericht billigt das Erfolgshonoar, obwohl die entsprechende Genfer Regelung gegen Bundesrecht verstösst. Art. 12 lit. e des Bundesgetzes über die Freizügigkeit der Anwälte verbietet nämlich Erfolgshonorare, wie Dr. iur. Daniel Schwander in einer exzellenten Analyse zeigt.

Der Normalbürger reibt sich nur die Augen.

Aber nicht nur beim Honorar haben Anwälte den Fünfer und das Weggli: Die Öffentlichkeit darf nicht einmal erfahren, welche Anwälte schlecht arbeiten. Wird ein Anwalt von der kantonalen Aufsichtskommission gerüffelt, erfährt dies niemand ausser dem Anwalt selbst. Der Entscheid wird nämlich weder dem Anzeigeerstatter noch den Medien bekannt gegeben, ja nicht einmal dem kantonalen Anwaltsverband.

Das ist äusserst bedenklich, weil in den Aufsichtskommissionen meist zur Hälfte oder gar überwiegend wiederum Anwälte sitzen und die staatliche Aufsicht nachgewiesenermassen schlecht funktioniert. So werden kaum Sanktionen gegen Anwälte ausgesprochen.

Das Nachsehen hat wiederum der Normalbürger, der kaum einschätzen kann, ob ein Anwalt gut oder schlecht ist.

Eine unabhängige Kontrolle dieser Aufsichtsgremien täte also dringend Not. Doch auch hier blockt die Justiz: Ein Einsichtsgesuch des Beobachters hat die Luzerner Anwaltskommission eben erst abgelehnt. Das allgemeine Interesse an einer Justizkontrolle genüge nicht, um ein solches Verfahren öffentlich zu machen, argumentierten die drei Richter und zwei Anwälte. Die Anwaltskommission müsse ihre Entscheide nicht öffentlich machen, wie dies die Bundesverfassung von Gerichten verlange. Das verletze die Verfassung und die Menschenrechtskonvention nicht, weil man ja den Fall mittels Beschwerde vor ein Gericht ziehen könne. Dort sei dann Einsicht möglich.

Diese Argumentation ist ein Zirkelschluss: Nur der betroffene Anwalt kann nämlich gegen einen Entscheid der Aufsichtskommission Beschwerde machen, nicht aber der Anzeigeerstatter oder ein Medium.

Beobachter-Mitglieder finden übrigens qualifizierte Anwältinnen und Anwälte, die kein Erfolgshonorar verlangen unter www.helponline.ch/anwaltssuche