Die Untersuchungsbehörden von Swissmedic dürfen nicht mehr kontrollieren, ob Ärzte und Apotheker Rabatte, die sie von Pharmafirmen erhalten, an die Kunden weitergeben. Dafür gebe es keine gesetzliche Grundlage, urteilte das Bundesgericht.
Im Dezember 2007 verpflichtete das Schweizerische Heimittelinstitut Swissmedic den Medikamentengrossisten Galexis dazu, seine Kunden also Ärzte, Apotheker, Drogisten darüber zu informieren, dass sie Rabatte an ihre eigenen Kunden und Patienten weitergeben müssen.
Dagegen wehrte sich der Arzneimittelhändler vor Gericht. Doch das Bundesverwaltungsgericht als erste Instanz schützte Swissmedic im Dezember 2010 in seinem zentralen Anliegen: Galexis müsse die Abnehmer darüber informieren, dass allfällige Rabatte an die Kunden oder Patienten weiterzugeben sind. Diese Pflicht leitete das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 33 Abs. 3 lit. b des Heilmittelgesetzes (HMG) ab und bezog sie auf fast sämtliche Medikamente.
Dem widerspricht nun das Bundesgericht in einem Leitentscheid, der zwar von fünf Bundesrichtern einstimmig gefällt wurde, erstaunlicherweise aber nicht zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehen ist. Die Bestimmung des Heilmittelgesetzes sei zu wenig klar, um einen erheblichen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit möglich zu machen, argumentieren die Bundesrichter. «Eine Pflicht zur Weitergabe der Rabatte an die Patienten oder Endkunden ist nicht aus dieser Bestimmung abzuleiten.» Das Bundesgericht spielt den Ball ans Parlament weiter, das im Rahmen der geplanten Revision des HMG entscheiden müsse, ob eine klare gesetzliche Grundlage geschaffen werde.
Erstaunlich an der Begründung des Bundesgerichts ist, dass es den Strafartikel zu Art. 33 HMG nicht gefunden hat (Art. 87 Abs. 1 Bst. b HMG). Da es unter anderem aus dem „Fehlen“ der Strafnorm ableitet, Art. 33 Abs. 3 lit. b HMG sei eine unklare gesetzliche Formulierung und deshalb nicht anzuwenden, ist dieser Fehler ziemlich blamabel. Zudem stützen die höchsten Schweizer Richter ihre Begrüdung unter anderem auf den Artikel einer PR-Frau, die von der Pharma bezahlt wird, ohne die Entgegnungen von Swissmedic und der Krankenversicherer ebenfalls anzuführen („Wer wissen will, was gilt, weiss es“).
Bei Swissmedic ist man konsterniert. «Dieses Bundesgerichtsurteil führt dazu, dass Rabatte auf Arzneimitteln nicht an die Patientinnen und Patienten sowie an die Krankenversicherer weiter gegeben werden», antwortet das Heilmittelinstitut. Zwar gebe es im Krankenversicherungsrecht (Art. 56 Abs. 3 KVG) eine explizite Weitergabepflicht. «Diese ist bis heute jedoch toter Buchstabe geblieben.»
Im Gegensatz zum Heilmittelgesetz kann Swissmedic beim Krankenversicherungsrecht nicht tätig werden. Das können nur die Krankenversicherer selbst. Aber offenbar fehlen dort die Kapazitäten, um die Weitergabe der Rabatte einzufordern. Zudem gilt diese Weitergabepflicht nur für jene Medikamente, die auf der Spezialitätenliste des Bundesamtes für Gesundheit aufgeführt sind.
Ärzte, Apotheker und Drogisten müssen also ab sofort kaum mehr mit Konsequenzen rechnen, wenn sie Rabatte behalten, die sie von Pharmafirmen erhalten. Und dabei geht es um viel Geld: Zahlreiche Pharmafirmen gewähren bis zu 90 Prozent Rabatt auf Medikamente, die später den Kunden und Patienten zum vollen Preis verkauft werden (siehe Artikel zum Thema «Wie sich Ärzte von der Pharma kaufen lassen»)