Richter müssen mit Namen hinstehen

Journalisten haben einen Anspruch darauf zu erfahren, welche Richter einen Entscheid gefällt haben. Das neueste Präjudiz des Bundesgerichts zeigt, wie schwer sich (andere) Gerichte mit Transparenz tun.

Ein Journalist des Beobachters wollte wissen, welche Richter an einem Grundsatzentscheid von 2005 der damaligen Asylrekurskommission (ARK) beteiligt waren. Es ging in diesem Urteil um die Frage, ob Personen aus Eritrea, die vor dem Armeedienst desertiert sind, als Flüchtlinge gelten. Der Generalsekretär des Bundesverwaltungsgerichts, in das die damalige ARK heute integriert ist, schickte dem Journalisten Auszüge des Urteils, verweigerte aber gestützt auf das Archivierungsreglement des Bundesverwaltungsgerichts (SR 152.13) und den Schutz von Treu und Glauben der damaligen Richter die Bekanntgabe der Namen der Richter.

Das Bundesgericht hält nun klipp und klar fest, dass die Bekanntgabe eines Urteils nicht durch irgendwelche Archivierungsreglemente, sondern einzig durch Art. 30 Abs. 3 BV geregelt wird, der die grundsätzliche Öffentlichkeit der Justiz festlegt.

Und: Der Anspruch der Medien auf Bekanntgabe von Urteilen schliesst gemäss Bundesgericht auch die Namen der beteiligten Richter ein: „Die Kenntnisnahme erstreckt sich grundsätzlich auf das ganze Urteil mit Sachverhalt, rechtlichen Erwägungen und Dispositiv“, schreiben die fünf Bundesrichter. „Eingeschlossen ist auch der Spruchkörper. Die mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz verbundene Kontrollfunktion durch die Rechtsgemeinschaft wäre massgeblich beeinträchtigt oder gar illusorisch, wenn die beteiligten Gerichtspersonen unbekannt bleiben könnten.“ Und dann schreiben die Bundesrichter einen Satz, der ins Stammbuch aller Gerichte gehört: „Richter und Richterinnen üben ein öffentliches Amt aus, haben für die von ihnen getragenen Urteilen einzustehen und sich allfälliger Kritik (…) zu stellen.“

Fürwahr. Leider wurde dies bei vielen Gerichten – nicht nur dem Kantonsgericht Schaffhausen, das die Einsicht ins Dispositif eines Strafurteils gegen einen Physiotherapeuten verweigert – noch nicht wirklich zur Kenntnis genommen. Wieviele Bundesgerichtsentscheide braucht es noch, bisauch den unteren Instanzen klar ist, dass Medien in der Regel einen Anspruch auf Einsicht in Urteile haben?

Suisa geht vor Bundesgericht

Die Suisa hat den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für vermietete Ferienwohnungen keine Urheberrechtsentschädigung erhoben werden darf, vor Bundesgericht angefochten. Trotzdem verzichtet sie vorerst auf die Erhebung der umstrittenen Gebühr. Bereits versendete Rechnungen wurden storniert.

Dies teilt die Suisa den Eigentümern von Ferienwohnungen in einem Schreiben mit. Sie betont darin aber auch, dass „die Verwertungsgesellschaften an ihrer Tarifauslegung festhalten“. Nach Auslegung der Suisa gibt es im aktuellen Urheberrechtstarif durchaus eine gesetzliche Grundlage für die Erhebung von Urheberrechtsgebühren auch für Radio- und Fernsehempfang in vermieteten Ferienwohnungen und Hotelzimmern.

Ein betroffener Ferienhauseigentümer hatte dies mittels Aufsichtsbeschwerde ans Institut für Geistiges Eigentum bestritten. Das IGE gab ihm im Juni 2011 Recht  und untersagte den Verwertungsgesellschaften, Urheberrechtsgebühren für vermietete Ferienwohnungen zu erheben, da eine gesetzliche Grundlage dafür fehle.

Suisa, Swissperform, Swissimage + Co fochten den Entscheid vor Bundesverwaltungsgericht an und erhoben die Gebühren weiterhin. Doch das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde der Verwertungsgesellschaften am 14. Mai 2012 ab. Diesen Entscheid überprüft nun das Bundesgericht.

Falls das Bundesgericht die Beschwerde ebenfalls abweist, müssen Suisa + Co all jene Gebühren zurückerstatten, die sie in den letzten 10 Jahren eingezogen haben. Dabei geht es um hunderttausende von Franken.

Suisa hat zu viel kassiert

Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts schlägt Wellen: Ferienhausbesitzer können Hunderttausende, wenn nicht gar Millionen von Franken zurückfordern.

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 14. Mai 2012 entschieden, dass es keine Rechtsgrundlage gibt, um für Radio und Fernsehen in Ferienwohnungen, Hotel- und Spitalzimmern Urheberrechtsgebühren zu erheben. Der geltende Tarif beziehe sich nur auf Hintergrund-Unterhaltung in öffentlich zugänglichen Räumen, jedoch nicht auf „Sendeempfang in Hotel- und Spitalzimmern sowie Ferienhäusern und Ferienwohnungen“, urteilten die Bundesverwaltungsrichter.

Die Urheberrechtsgesellschaften haben seit Jahren von Ferienhausbesitzern Gebühren verlangt, wenn Wohnungen an Dritte vermietet werden und dort Radio und Fernseher zur Verfügung stehen. Auch von Hotels und Spitälern forderten die Verwertungsgesellschaften seit Anfang 2011 entsprechende Entschädigungen.

Ein Ferienhausbesitzer und der Verband Gastrosuisse haben diese Gebühren angefochten, weil sie weder in einem Gesetz noch in einem Tarif vorgesehen seien. Darauf hat das Institut für Geistiges Eigentum (IGE) den Urheberrechtsgesellschaften im Juni 2011 verboten, solche Gebühren zu erheben (vgl. Beobachter 13/2011).

Die Urheberrechtsgesellschaften fochten die Verfügung des IGE beim Bundesverwaltungsgericht an, und die Billag zog in deren Auftrag die Beträge weiter ein. Billag und Suisa behaupteten zudem in Kundenbriefen, nur die Gebühren für Hotels seien vom IGE sistiert worden, hingegen nicht jene für Ferienhäuser (vgl. Beobachter 23/2011). Das war schlicht falsch, wie sich jetzt auch im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zeigt.

Beim Streit um die Urheberrechtsgebühren geht es um viel Geld: So beziffert das Bundesverwaltungsgericht die Summe, die Ferienhausbesitzer in den letzten zehn Jahren zu Unrecht zahlen mussten, auf 300’000 Franken. Es stützt sich dabei aber auf die Angaben der Verwertungsgesellschaften und bemerkt, dass dieser Betrag „im Vergleich zum jährlichen Gesamtumsatz von CHF 1,45 Millionen Franken recht niedrig ist“.

Darauf lässt auch folgende einfache Rechnung schliessen: Die Urheberrechtsgebühr für Ferienhausbesitzer beträgt derzeit pro Jahr rund 400 Franken. Gemäss Angaben der Billag gibt es 1400 Ferienhausbesitzer, von denen die Gebühr erhoben werden kann. Jedes Jahr wurden also bis zu 560’000 Franken zu Unrecht einkassiert. Da die Gebühren für die letzten zehn Jahre zurückgefordert werden können, geht es um eine Summe von mehreren Millionen Franken.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (B-3896_2011) ist noch nicht rechtskräftig, da es noch ans Bundesgericht weitergezogen werden kann.

Nachtrag vom 15. August 2012: Suisa + Co haben das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vor Bundesgericht angefochten.

Billag + Suisa: Im Zweifel kassieren

Die Billag fordert Urheberrechtsgebühren für Radio- und TV-Empfang in Ferienwohnungen, obwohl ein Rechtsstreit darüber hängig ist. Vorsicht beim Zahlen!

Das Institut für geistiges Eigentum (IGE) hat im Juni 2011 verboten, Urheberrechtsentschädigungen von Besitzern von Ferienwohnungen einzuziehen, auch wenn diese an Dritte vermietet werden (vgl. Justizblog und Entscheid im Wortlaut siehe unten).

Trotzdem verschickt die Billag, die das Inkasso für die Verwertungsgesellschaft Suisa macht, jetzt Rechnungen dafür. Ihre Begründung: Der Entscheid des IGE sei nicht rechtskräftig, weil ihn die Suisa vor Bundesverwaltungsgericht angefochten hat.

Das ist rechtlich korrekt. Und deshalb müssen nicht nur die Billag-Rechnungen für Radio- und Fernsehempfang, die unbestritten sind, sondern auch jene für die Urheberrechtsgebühren bezahlt werden. Aber weil es umstritten ist, ob die Suisa eine rechtliche Grundlage für die Urheberrechts-Vergütungen hat, sollte man diese Rechnung nur unter dem Vorbehalt bezahlen, dass man mit der Zahlung die Forderung nicht anerkenne. Und das sollte man sich von der Billag schriftlich bestätigen lassen, damit man die Zahlungen zurückfordern kann, wenn die Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen und der IGE-Entscheid rechtskräftig werden würde (vgl. Musterbrief unten).

Auffällig ist, dass Billag und Suisa in ihren Briefen an die Ferienwohnungseigentümer den Entscheid des IGE falsch wieder geben. Beide behaupten, das IGE habe „lediglich die Berechnungsmethode der Urheberrechtsentschädigung mittels Zimmergrössen sistiert“. Das ist falsch: Das IGE hat klipp und klar festgehalten, dass eine Vergütung für die Nutzung von Sendungen in Ferienwohnungen unbestrittenermassen „nicht Gegenstand des Tarifverfahrens war“, deshalb keine Rechtsgrundlage habe und nicht eingezogen werden darf.

Entscheid_IGE

Musterbrief_Billag_Urheberrecht