Das Bundesgericht hat sich gegen ein generelles Heiratsverbot für Sans-Papiers ausgesprochen. Eine so rigide Auslegung von Art. 98 Abs. 4 ZGB verstosse gegen die EMRK.
Die Fremdenpolizeibehörden müssen gemäss Bundesgericht dem Recht auf Eheschluss und dem Gebot der Verhältnismässigkeit Rechnung tragen und den Betroffenen gegebenenfalls für das Eheverfahren eine provisorische Aufenthaltsbewilligung ausstellen (Urteil 2C_349/2011 BGE_Heiratsverbot).
Dazu müssen laut Gericht allerdings gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Einerseits dürfen keine Indizien für einen Missbrauch – also eine Scheinehe – vorliegen. Andererseits muss feststehen, dass die ausländische Person nach dem Eheschluss die Bedingungen für einen nunmehr rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz erfüllt.
Umgekehrt gibt es nach Ansicht des Bundesgerichts keinen Grund, den Aufenthalt einer Person zwecks Heirat zu verlängern, wenn sie die Schweiz danach trotzdem verlassen müsste. Mit dieser Einschränkung werde denn auch dem Willen des Gesetzgebers nachgekommen.
Der konkrete Fall betrifft ein Paar aus dem Kanton Waadt, bei dem die Zivilstandbehörden nun prüfen müssen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.
Das Präjudiz wird auch Auswirkungen auf das hängige Verfahren im Kanton Zürich haben: Dort hat das Stadtzürcher Zivilstandsamt einem Irlaner die Ehe mit einer Schweizerin alleine aus dem Grund verweigert, weil er keine gültige Aufenthaltsbewilligung vorweisen konnte. Das Gemeindeamt des Kantons Zürich hob den Entscheid auf, weil er menschenrechtswidrig den Spielraum von Art. 98 Abs. 4 ZGB nicht ausschöpfe. Das Bundesamt für Justiz hat den Entscheid vor Zürcher Verwaltungsgericht angefochten, weil Art. 98 Abs. 4 ZGB gar keinen Interpretationsspielraum lasse. Diese Argumentation wird durch das Präjudiz aus Lausanne obsolet.