Das Problem ist nicht nur das Bankengesetz, sondern auch der mangelhafte Quellenschutz

Die Schweiz hat nicht nur ein Problem mit Art. 47 des Bankengesetzes, der es erlaubt, Journalisten zu bestrafen, wenn sie über Missstände berichten, die dem Bankgeheimnis unterstehen. Der Schutz der Banken vor wichtigen Recherchen hat System: So ist bei Geldwäscherei auch der Quellenschutz ausgehebelt.

Mit blinden Flecken und toten Winkeln lebt es sich schlecht. Das weiss, wer schon einmal rückwärts mit dem Auto einen Pfosten gerammt hat. Die Schweiz leistet sich so einen blinden Fleck in einem zentralen Wirtschaftsbereich: im Finanz- und Bankwesen. Und rammt Pfosten um Pfosten. 

Das zeigt sich im Skandal um die Credit Suisse, den «Suisse Secrets» – die einmal mehr den gesamten Finanzplatz dem Verdacht aussetzen, ein Hort der Geldwäscherei zu sein. Und das kann angesichts des Ukrainekriegs zur Zeitbombe werden für alle Schweizer Banken, die russische Oligarchen als Kunden haben.

Die Zürcher Grossbank CS soll gemäss dem Datenleck von 1940 bis ins letzte Jahrzehnt Geld von Despoten und Kriminellen angenommen haben. Die Bank weist die Vorwürfe zu «angeblichen Geschäftspraktiken entschieden zurück». 

Kein Quellenschutz

Die Schweiz hat aber mehr als nur einen blinden Fleck, sie hat sich ihren Sehnerv bewusst herausoperiert. Warum? Whistleblower, die Informationen über Geldwäscherei oder mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften öffentlich machen, können von den Medien nicht geschützt werden. Denn der Gesetzgeber nimmt Whistleblower ausgerechnet bei diesen Delikten vom Quellenschutz aus. Das tut er sonst fast nur bei schweren Straftaten wie Mord, Vergewaltigung oder Pornografie mit Minderjährigen.

Wenn eine Bankangestellte einem Journalisten von Geldwäscherei erzählt, ist der Journalist in der Regel rechtlich verpflichtet, deren Namen einem Staatsanwalt zu nennen. Ausnahmen gibt es nur, wenn das Strafverfolgungsinteresse nicht überwiegt. Damit ist klar: Kaum eine Angestellte einer Bank wird einen Schweizer Journalisten auf Geldwäscherei hinweisen. Whistleblower sind so gezwungen, sich an ausländische Journalisten zu wenden – wie im Fall CS. Die Daten gingen an die «Süddeutsche Zeitung».

Wenn der Whistleblower sich einer Schweizer Journalistin offenbart hätte, wäre sein Schutz nicht garantiert gewesen. Auch die Journalistin wäre ins Visier der Justiz geraten: Wenn sie über Missstände berichtet, die dem Bank- oder dem Finanzmarktgeheimnis unterstehen, kann sie in der Schweiz mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden (Art. 47 Bankengesetz). 

Die Rolle des Nationalrats

«Es gehört nicht zur Aufgabe von Journalisten, geheime, intime, persönliche Daten, die gestohlen wurden, in den Medien auszubreiten», sagte FDP-Politiker Andrea Caroni 2014 im Nationalrat, als die Regelung beschlossen wurde. Nach dem Fall CS rudert Caroni zurück und meint, möglicherweise sei der Regler nicht perfekt eingestellt. Umgehend fordert er aber weitere Einschränkungen des Quellenschutzes – etwa für vertrauliche Kommissionssitzungen. 

Die Forderung hat einen persönlichen Hintergrund. Caroni hatte als Präsident der Gerichtskommission 2021 grosse Mühe, einen neuen Bundesanwalt zu finden. Genervt darüber, wie die Medien über einzelne Kandidaturen berichteten, forderte er, dass Parlamentarier überwacht werden müssten und der Quellenschutz von Journalisten auszuhebeln sei. Das Problem waren aber weder Quellenschutz noch Medien, sondern die Mitglieder der Gerichtskommission. Sie hatten die Geheimhaltung zu wenig ernst genommen und Infos ausgeplaudert. Caroni hätte bei ihnen für Ordnung sorgen müssen – statt bei den Nachrichtenüberbringern.

Das gilt auch im Fall Credit Suisse. Das Problem sind nicht die Medien. Es sind die Banken, die trotz allen Skandalen die Herkunft von Kundengeldern zu wenig sorgfältig prüfen. Deshalb braucht es Whistleblower und Medien: weil die manchmal das letzte Mittel gegen blinde Flecke und tote Winkel sind. Sie sind es, die Licht ins Dunkel bringen – von allen Seiten und in alle Ecken. Damit das möglich ist, muss nicht nur das Banken- (und Finanzinformationsgesetz!) geändert werden, sondern auch der Ausnahmekatalog des Quellenschutzes.

Dieser Text erschien erstmals in Beobachter, 3. März 2022

Fall Gut/Sarasin: Tipps für prozessfeste Recherchen bei anonymen Quellen

Medienschaffende, die Vorwürfe und Kritik an Personen nur auf anonyme Quellen stützen, müssen eine Verurteilung wegen Ehrverletzung in Kauf nehmen. Quellenschutz hat die Richter dabei nicht zu interessieren. Das ist juristisch absolut korrekt. Es gibt aber Massnahmen, die das Risiko einer Verurteilung der Medienschaffenden verkleinern.

«Dieses Urteil ist ein Knieschuss gegen die Medienfreiheit», schrieb «10vor10»-Reporter Reto Kohler auf Twitter, als die Verurteilung von Philipp Gut bekannt wurde. Das Zürcher Bezirksgericht hatte den stellvertretenden Weltwoche-Chefredaktor am 30. September 2016 wegen mehrfacher übler Nachrede und mehrfacher Widerhandlung gegen das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt.

Philipp Gut werfe Geschichtsprofessor Philipp Sarasin in seinem Artikel «Helden der Doppelmoral» vor, sich nicht wie «ein charakterlich anständiger Mensch» benommen zu haben, meinte der Einzelrichter. Zudem könne Gut weder beweisen, dass dies wahr ist noch dass er ernsthafte Gründe hatte, die gemachten Äusserungen in guten Treuen für wahr zu halten. In Juristendeutsch: Gut hat Sarasins Ehre verletzt, ohne den Wahrheits- oder den Gutglaubensbeweis erbringen zu können. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Für Gut gilt die Unschuldsvermutung.

Der Tages-Anzeiger titelte daraufhin: «Er [Philipp Gut] durfte sich nicht auf den Quellenschutz berufen.» Wurde Philipp Gut zu Unrecht verurteilt, weil er sich nicht auf den Quellenschutz berufen durfte? Hätte der Richter den Quellenschutz zu Gunsten des Journalisten gewichten müssen? Ist das Urteil also ein «Knieschuss gegen die Medienfreiheit»?

Juristisch korrekt

Nein. Das Urteil ist da juristisch völlig korrekt. Wer die Ehre eines andern verletzt, kann nichts aus dem Quellenschutz ableiten, um sein Handeln zu rechtfertigen. Er entgeht einer Strafe nur, wenn er beweisen kann, dass seine Behauptungen stimmen oder dass er ernsthafte Gründe hatte, die publizierten Äusserungen in guten Treuen für wahr zu halten. Es stellt sich also gar nicht die Frage, ob Gut sich auf Quellenschutz berufen darf oder nicht. Philipp Gut muss den Wahrheits- oder Gutglaubensbeweis erbringen und in diesem Zusammenhang entscheiden, ob er dafür auf seine Quellen zurückgreifen kann. Das ist sein Entscheid.

Der Richter seinerseits darf den Quellenschutz gar nicht berücksichtigen, um eine Ehrverletzung zu rechtfertigen. Er muss einzig beurteilen, ob der Journalist die Wahrheit seiner Äusserungen belegen kann oder zumindest ob er ernsthafte Gründe hatte diese in guten Treuen für wahr zu halten. Anonyme Quellen alleine können dies nicht belegen, denn wer garantiert, dass die geschützten Quellen auch wirklich existieren und sorgfältig vom Journalisten auf Glaubwürdigkeit überprüft worden sind?

Deshalb muss ein Journalist, der seine Story nur oder zur Hauptsache auf anonyme Quellen stützt und diese pflichtgemässs schützt, im Extremfall eine Verurteilung wegen Ehrverletzung in Kauf nehmen. Doch mit ein paar handwerklichen Massnahmen lässt sich dieses Risiko verkleinern.

Tipps für prozessfeste Recherchen bei anonymen Quellen

Da der Richter Beweise frei würdigt, muss der Journalist alles unternehmen, um in seiner Recherche Dokumente zu beschaffen, die seinen guten Glauben belegen.

  1. Anonyme Quellen sollten ihre Aussagen gegenüber einem Anwalt wiederholen, der vom Medium und vom Journalisten möglichst unabhängig ist. Dabei ist es sinnvoll, dass der Anwalt Fragen zur Glaubwürdigkeit («Was sind Ihre Motive?») und zur Unabhängigkeit der Quelle stellt. Auf Grund dieses Gespräches erstellt der Anwalt eine so genannte «anwaltliche Versicherung», welche die Aussagen wiedergibt und die Glaubwürdigkeit der Quelle umschreibt. Eine solche anwaltliche Versicherung ist in Deutschland üblich. Sie hat zwar keinen Urkundencharakter oder erhöhte Glaubwürdigkeit, weil sie nicht unter Strafandrohung bei Falschaussage zustande kam, aber im Rahmen der freien Beweiswürdigung kann sie für den Richter entscheidend sein, um dem Journalisten den guten Glauben zuzubilligen. Zudem lässt sich der Anwalt auch als Zeuge befragen. Andere Formen wie eidesstattliche Erklärungen oder Unterschriftenbeglaubigungen eines Notars sind hingegen untaugliche Mittel, weil sie nicht anonym abgegeben werden können und der Richter – auch wenn diese eingeschwärzt eingereicht werden – vom Notar verlangen kann, das Original mit Unterschrift herauszugeben. Die «anwaltliche Versicherung» sollte möglichst vor der Publikation, spätestens aber im Stadium der Strafuntersuchung erstellt werden. Ob sie im Fall Gut/Sarasin vor zweiter Instanz noch eingereicht werden kann, hängt davon ab, ob es ein unzulässiger oder ein zulässiger neuer Beweis ist.
  2. Handnotizen von Gesprächen oder E-Mails sollten unbedingt eingereicht werden – am besten in eingeschwärzter, aber notariell beglaubigter Kopie. Philipp Gut hat Zusammenfassungen seiner Handnotizen eingereicht, nicht die eingeschwärzte Kopien der Originale. Dies ist weniger beweiskräftig und kann im Gegenteil Zweifel an der Glaubwürdigkeit erzeugen.
  3. Der Journalist muss alles unternehmen, um seinen übrigen Sorgfaltspflichten nachzukommen: Er sollte etwa die anonymen Quellen und Sachverhalte so genau wie nur möglich umschreiben, im Text die Glaubwürdigkeit der anonymen Quellen reflektieren und der Version des Kritisierten genügend Raum geben.
  4. Es hilft hingegen nicht, die Quelle nur dem Gericht zu offenbaren, denn die Parteien haben dann ein Recht darauf, die Quelle zu kennen und ins Kreuzverhör zu nehmen. Prüfenswert ist deshalb eine Änderung der Strafprozessordnung. Anonyme Quellen sollten ähnlich wie verdeckte Ermittler (Art. 151 StPO) im Strafprozess anonym befragt werden können.

Fall Ludovic Rocchi liegt anders

Ähnlich wie Philipp Gut hat sich etwa auch Mathias Ninck (NZZ am Sonntag) im Fall Marko Turina verhalten. Ninck hat dem Herzspezialisten in einem Artikel gestützt auf anonyme und eine namentlich zitierte Quelle vorgeworfen, den Tod einer Frau in Kauf genommen zu haben, der er wissentlich ein Herz mit falscher Blutgruppe implantiert habe. Auch Ninck hat seine Quellen nicht offen gelegt und damit in Kauf genommen, dass er in einen Vergleich mit dem Chefarzt einwilligen musste.

Anders liegt hingegen der Fall des «Le Matin»-Journalisten Ludovic Rocchi, der einem Professoren der Universität Neuenburg vorwarf, Plagiate zu verbreiten. Rocchi berief sich auf den Quellenschutz, als der Staatsanwalt auf dem Umweg einer Ehrverletzungsklage gegen Rocchi versuchte, an die Quellen der Amtsgeheimnisverletzung heranzukommen. Deshalb beurteilte das Zwangsmassnahmengericht Val-de-Ruz die Hausdurchsuchung bei Rocchi und die Beschlagnahme seines Computers für unzulässig. Damit schützt Rocchi seine Quellen und rechtfertigt nicht seine Ehrverletzung. Das Ehrverletzungsverfahren gegen Rocchi ist noch hängig und der Journalist ist guter Dinge, mit Dokumenten den Wahrheitsbeweis anzutreten.

(Erstmals veröffentlicht in der Medienwoche vom 5. 10. 2016)

Prekärer Quellenschutz im digitalen Zeitalter


Urs Paul Engeler, preisgekrönter Schweizer Recherchejournalist, hat Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht, weil seine Kommunikation mit den SVP-Politikern Christoph Blocher und Hermann Lei im Fall Hildebrand von Polizei und Staatsanwaltschaft ausgewertet wurde. Die Zürcher Staatsanwaltschaft beteuert, sie habe Engeler nicht überwacht. Seine Kommunikationsdaten seien bloss «Beifang» der Überwachung der beiden Beschuldigten Blocher und Lei gewesen. Müssen Journalisten mit Überwachung rechnen? Taugt der Quellenschutz im digitalen Zeitalter gar nichts mehr? Dürfen sie nicht mehr digital kommunizieren, wenn sie den Quellenschutz ernst nehmen? 6 Fragen und 6 Antworten.

1. Wie gelangte die Abschrift an die Öffentlichkeit?
Wie so oft steht am Anfang einer wichtigen Geschichte der Zufall Nach der Affäre Hildebrand im Januar 2012 liefen gleich drei Strafverfahren parallel: Gegen Reto T., der die geheimen Bankunterlagen Hildebrands beschafft, gegen Hermann Lei, der sie an die Weltwoche weitergegeben haben soll und gegen Christoph Blocher, der sie ermuntert haben soll, die Dokumente weiterzugeben.

Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Computer und Mobiltelefone von allen drei und beschaffte sich über den Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldewesens die Telekommunikations-Randdaten bei den Fernmeldedienstanbietern. Daraus erstellte sie eine 19-seitige Liste der SMS, E-Mails, Combox-Nachrichten und Telefongespräche, die Christoph Blocher, Rechtsanwalt Hermann Lei, die Journalisten Roger Köppel und Urs Paul Engeler sowie weitere Personen ausgetauscht haben. Teilweise steht da nur, wer mit wem wann kommuniziert hat (Randdaten), teilweise ist auch der Inhalt notiert. Schön datiert und geordnet.

Hermann Lei und Reto T. akzeptierten, dass die Staatsanwaltschaft sowohl ihre Datenträger wie auch ihre Randdaten vollumfänglich auswerteten. Sie beriefen sich auch nicht auf Quellenschutz. Einzig Christoph Blocher wollte, dass jene Daten auf seinem Computer und Mobiltelefon im Strafverfahren ausgesondert werden, die aus einer Kommunikation mit Journalisten stammen. Und er wehrte sich bis vor Bundesgericht. Deshalb schickte der Staatsanwalt, der gegen Blocher ermittelte, die 19-seitige Liste ans höchste Schweizer Gericht. Das Bundesgericht entschied im Juli 2014, dass die Daten auf Blochers Computer und seinem Mobiltelefon wegen Quellenschutz im Verfahren nicht verwendet werden dürfen (Urteile des Bundesgerichts 1B_424/2013 und 1B_436/2013). Nichts gesagt hat das Bundesgericht aber zur Frage, ob auch die Randdaten aus der rückwirkenden Telefonüberwachung verwendet werden dürfen, weil Blocher es in einer separaten Beschwerdenicht geltend gemacht hat.

Nach diesen beiden Urteilen hat die Zürcher Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben alle Listen versiegelt, die sie noch hatte, und auch Blochers Randdaten nicht verwendet, um dem Anliegen nach weit gefasstem Quellenschutz nachzukommen, wie sie gegenüber der NZZ am Sonntag betonte. Allerdings habe man vergessen auch jene Liste, die vom Bundesgericht erst später zurückgeschickt und in den Verfahrensakten abgelegt wurde, ebenfalls zu versiegeln.

Die Staatsanwaltschaft stellte das Strafverfahren gegen Blocher im Dezember 2015 ein, brachte aber jene gegen Hermann Lei und Reto T. zur Anklage. Bei der Vorbereitung zum Prozess von Ende März 2016 schaute sich Reto T.s Anwalt die Akten des eingestellten Verfahrens Blocher an und fand die Liste. Der Anwalt verwendete sie bei seinem öffentlichen Plädoyer, der Tages-Anzeiger wertete die Informationen für einen Artikel aus und beschrieb auch die elektronische Kommunikation des Journalisten Urs Paul Engeler.

2. Wieso hat Urs Paul Engeler erst aus der Zeitung erfahren, dass seine Kommunikation aufgezeichnet und ausgewertet wurde?
Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat Urs Paul Engelers Telefon und E-Mail nicht direkt überwacht. Die Staatsanwaltschaft konnte seine Kommunikation nur nachverfolgen, weil sie die Kommunikation von Engelers Gesprächspartnern – Hermann Lei und Christoph Blocher – ausgewertet hat. Das bezeichnet die Staatsanwaltschaft als «Beifang». Die Kommunikationspartner werden nie informiert, wenn sie mitüberwacht werden. Deshalb hat Engeler es erst erfahren, als es der Tages-Anzeiger publik gemacht hat. Daraufhin hat der Journalist Anzeige gegen Unbekannt erstattet.

3. Was kann Engeler mit seiner Strafanzeige erreichen?
Nun muss ein Staatsanwalt prüfen, was genau passiert ist, und ob jemand sich strafbar gemacht hat. Dabei stellen sich unter anderem folgende Fragen:

  • Wer ist dafür verantwortlich, dass nicht alle der 19-seitigen Listen mit Kommunikationsdaten aus den Akten von Blochers Strafverfahren entfernt wurden? Ist es der Kanzleibeamte, der die Liste wieder in Blochers Verfahrensakten gelegt hat, als sie vom Bundesgericht zurückkam? Ist es der Staatsanwalt, der dies nicht gemerkt hat? Ist es Blochers Anwalt, der die Liste nicht aus den Akten entfernen liess?
  • Und ist dieser Fehler strafbar? Die Prognose sei gewagt: Für diesen Fehler ist wohl niemand strafrechtlich verantwortlich. Aber die Staatsanwaltschaft muss ihre Aktenverwaltung besser organisieren, damit dies nicht wieder passieren kann.
  • Hätte das Zwangsmassnahmengericht nicht eh von sich aus in allen drei Verfahren alle Kommunikationsdaten mit Journalisten entfernen müssen?

Dabei gilt es zwischen Daten, die auf Computern und Mobiltelefonen liegen, und jenen zu unterscheiden, die via rückwirkende Telefonüberwachung bei den Fernmeldedienstanbietern erhoben werden. Daten auf Computern und Mobiltelefonen sind Eigentum der Quelle. Wenn die Quelle sie von sich aus frei gibt und auf Quellenschutz verzichtet (wie das im konkreten Fall die beiden Beschuldigten Hermann Lei und Reto T. getan haben), kann der Journalist nicht dagegen opponieren. Ein Staatsanwalt kann sie im Verfahren verwenden. Und das Zwangsmassnahmengericht muss sich gar nicht damit befassen.

Anders hingegen ist die Rechtslage bei den Daten, die via rückwirkende Telefonüberwachung erhoben wurden. GemässArtikel 271 Absatz 3 der Strafprozessordnung muss das Zwangsmassnahmengericht alle Informationen aussondern, über die ein Berufsgeheimnisträger (also Journalist, aber auch Arzt oder Anwalt) «das Zeugnis verweigern könnte». Diese Informationen sind «sofort zu vernichten; sie dürfen nicht verwendet werden.» Das muss das Zwangsmassnahmengericht spätestens innert fünf Tagen tun, nachdem der Staatsanwalt die Daten verlangt hat. Zu diesem Zeitpunkt weiss die Quelle noch gar nicht, dass ihre Kommunikation rückwirkend erhoben werden soll. Sie erfährt es erst Monate später, spätestens am Ende des Vorverfahrens. Muss das Zwangsmassnahmengericht also von Gesetzes wegen und unabhängig vom Willen der Quelle sämtliche Kommunikationsspuren mit Journalisten vernichten? Der Gesetzeswortlaut sowie Sinn und Zweck des Artikels legen dies nahe. Im konkreten Fall hat es das Zwangsmassnahmengericht nicht getan – weder im Verfahren gegen Reto T., noch gegen Hermann Lei noch gegen Christoph Blocher. Damit hat es die Strafprozessordnung verletzt. Strafbar ist das aber wohl kaum. Urteile zu dieser wichtigen Frage gibt es leider noch keine.

4. Müssen Journalisten mit Überwachung rechnen?
Der Fall Engeler führt Journalisten unangenehme Tatsachen vor Augen:

  • Ja, Journalisten werden überwacht. Die Randdaten ihrer elektronischen Kommunikation werden von den Fernmeldedienstanbietern 6 Monate lang gespeichert.
  • Und ja, Staatsanwälte können sie bei dringendem Verdacht auf ein Verbrechen oder Vergehen gegen einen Beschuldigten sichten (also auch bei Amtsgeheimnis- oder Bankgeheimnisverletzung).
  • Und ja, Staatsanwälte können die Kommunikation auf jeden Fall bis zu fünf Tage lang auswerten. Denn die Daten werden ihnen von den Fernmeldedienstanbietern unverzüglich zugestellt. Das Zwangsmassnahmengericht prüft die Rechtmässigkeit erst nachträglich und nur innert fünf Tagen nach Anordnung der rückwirkenden Telefonüberwachung.
  • Und ja, offenbar sind Zwangsmassnahmengerichte bei der zwingenden Aussonderung von Kommunikationsdaten von Berufsgeheimnisträgern zu wenig am Gesetz orientiert. Deshalb können Strafverfolger solche Kommunikationsdaten oft wochen- oder monatelang nutzen, bis nämlich die Quelle informiert wird und dann allenfalls Beschwerde einlegt. Dringt die Beschwerde durch, kann der Staatsanwalt die Kommunikationsdaten zwar als Beweise nicht verwenden, doch das daraus gewonnene Wissen gibt ihm bei den Ermittlungen einen grossen Vorteil.
  • Und ja, Journalisten müssen nicht informiert werden, wenn ihre Kommunikation mit Quellen nachträglich ausgewertet wird. Sie haben nicht einmal die Möglichkeit, die entsprechenden Entscheide einzusehen, da die Zwangsmassnahmengerichte sie nicht herausgeben.
  • Und ja, auch im Bereich der präventiven Überwachung durch Nachrichtendienste wird Überwachung von Journalisten der Fall sein, wie die Snowden-Enthüllungen gezeigt haben.

5. Können Journalisten den Quellenschutz trotzdem sichern?
Es ist wichtig, dass Journalisten ihren Informanten sagen, dass sie sofort eine Versiegelung verlangen sollen, wenn ein Staatsanwalt Computer oder Mobiltelefone beschlagnahmen will (vgl. dazuInfoblatt für Informanten). Denn das Recht, dass Unterlagen von und (Kommunikations)daten mit Journalisten nicht beschlagnahmt werden, gilt gemäss Gesetz (Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO) und einschlägigem Bundesgerichtsentscheid (Urteile 1B_424/2013 und 1B_436/2013) «ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden».

Zudem sollten Journalisten nur mit verschlüsselten E-Mails über Tor-Browser oder per Post mit heiklen Quellen kommunizieren. So schützen sie die Kommunikation gegen rückwirkende Telefonüberwachung. Redaktionen und Verlage müssen ihren Journalisten die nötige Infrastruktur zur Verfügung stellen.

6. Welche Forderungen stellen sich an Justiz und Politik?

  1. Zwangsmassnahmengerichte müssen den Quellenschutz von Amtes wegen zwingend berücksichtigen und entsprechende Kommunikationsspuren von Amtes wegen vernichten. Art. 271 Abs. 3 StPO ist konsequent anzuwenden.
  2. Die Überwachung muss nicht nur dem Beschuldigten, sondern auch dem Geheimnisträger, wie z.B. Journalisten, mitgeteilt werden.
  3. Entscheide von Zwangsmassnahmengerichten müssen öffentlich einsehbar sein, damit wichtige Entscheide wie die Aussonderung von Quellenschutzdaten oder die Bewilligung von Staatstrojanern von der Öffentlichkeit kontrolliert werden können.
  4. Der Gesetzgeber sollte die Vorratsdatenspeicherung abschaffen, da sie mit wichtigen Grundsätzen wie dem Quellenschutz offensichtlich nicht vereinbar ist.

Interessenbindung des Autors: Der Autor ist Co-Präsident des Schweizer Recherchenetzwerkes investigativ.ch und hat beim Dienst für Überwachung des Post- und Fernmeldewesens (Dienst ÜPF) die Löschung seiner Vorratsdaten verlangt. Eine Beschwerde gegen die ablehnende Verfügung des Dienstes ÜPF liegt zur Zeit vor Bundesverwaltungsgericht.

(Erschienen in http://www.medienwoche.ch vom 11. April 2015)

Presserat lockert Journalistenkodex: Leaks erlaubt

Ohne dass es jemand bemerkt hätte, änderte der Schweizer Presserat im April 2015 einen wichtigen Passus des Journalistenkodex: In Zukunft dürfen Medienschaffende vertrauliche Dokumente und Informationen veröffentlichen, auch wenn diese durch unlautere Methoden erlangt wurden. Damit entfernt sich die Medienethik weiter vom Medienrecht.

Bis vor einem halben Jahr musste mit einer Rüge des Presserats rechnen, wer geleakte Informationen veröffentlichte. Richtlinie a.1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» hielt ausdrücklich fest: «Die Information darf nicht durch unlautere Methoden (Bestechung, Erpressung, verbotenes Abhören, Einbruch/Diebstahl) erlangt worden sein». Dieser Passus wurde im vergangenen April ersatzlos gestrichen.

Die Lockerung hat allerdings Grenzen. Gemäss Presserat dürfen Informationen, die auf geleakten Daten oder Dokumenten beruhen, nur dann veröffentlicht werden, wenn die Medienschaffenden die Quellen kennen, die Information im öffentlichen Interesse ist, keine äusserst wichtigen Interessen tangiert sind und wenn der Informant die Indiskretion absichtlich und freiwillig getätigt hat.

Die kleine aber feine Anpassung des Journalistenkodex ist bemerkenswert, weil der Presserat damit noch stärker auf Distanz zu den Schweizer Gerichten geht, die illegal erlangte Beweise für unverwertbar erklären und die die Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (Art. 293 StGB) immer noch streng ahnden.

Zudem entwickelt sich das medienethische Selbstkontrollorgan der Schweiz auch weg vom Trend in Deutschland. Dort hat der Bundestag letzten Freitag, 16. Oktober 2015, von der öffentlichen Meinung wenig beachtet unter dem Titel «Datenhehlerei» einen neuen Artikel 202d ins Strafgesetzbuch eingefügt:

  1. Wer Daten (§ 202a Absatz 2), die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
  2. (…)
  3. Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen (…).»

Absatz 3 soll gemäss erläuterndem Bericht auch Journalisten von der Strafbarkeit ausnehmen, aber nur, wenn sie eine konkrete Veröffentlichung vorbereiten. Der Deutsche Anwaltsverein kritisierte, diese Regelung greife zu kurz: «Ein Journalist, der Daten zugespielt bekommt, kann naturgemäss erst nach der Sichtung des Datenbestandes beurteilen, ob daraus eine Veröffentlichung werden kann bzw. soll». Dann habe er sich aber bereits strafbar gemacht. Zudem gelten Blogger, Programmierer etc. nicht als Journalisten und sind vor Strafe in Zukunft nicht geschützt.

In Deutschland scheint nach dem Debakel rund um die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen das Blog netzpolitik.org das Pendel wieder in Richtung Geheimhaltung zurückzuschlagen.

Und ganz grundsätzlich fällt auf, dass die Schweiz und Deutschland nach einem neuen Gleichgewicht zwischen Öffentlichkeit und Geheimnis suchen und dabei bisher ohne kohärenten Plan agieren. Doch kein Wunder, wirken doch seit einigen Jahren zwei Kräfte, die sich teilweise entgegenlaufen, teilweise verstärken: Zum einen das Grundcredo der Transparenz, dem sich der moderne Staat verpflichtet hat, und zum andern die Unsicherheit von Daten im digitalen Zeitalter. Dass der Schweizer Presserat in dieser Grundsatzdebatte ein deutliches Zeichen setzt, ist aus Sicht des Journalismus sehr zu begrüssen. Und hoffentlich orientiert sich der Schweizer Gesetzgeber nicht an der neuen Härte Deutschlands sondern am Presserat, streicht in der laufenden Revision Artikel 293 StGB, der die Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen unter Strafe stellt, und beschliesst eine Revision des Obligationenrechts, das Whistleblower tatsächlich besser schützt.

Denn als Grund für die Streichung des Verwertungsverbots von unlauter beschafften Informationen nennt Presserats- Geschäftsführerin Ursina Wey gerade die Debatte über das Whistleblowing. Die ursprüngliche Fassung von Richtlinie a.1 stamme aus dem Jahr 2000, damals sei dieses Thema (noch) nicht aktuell gewesen. «Zudem erachtete es der Presserat als problematisch, (abschliessend) konkrete Delikte bzw. Straftatbestände zu nennen, welche dazu führen sollen, dass eine Indiskretion nicht veröffentlicht werden darf, andere, wie beispielsweise eine Amtsgeheimnisverletzung, hingegen nicht.»

Für diese Klärung gebührt dem Presserat Lob. Irritiernd hingegen ist, wie zurückhaltend er diese Änderung des Journalistenkodex kommuniziert hat. Sie ist ganz hinten im Jahresbericht 2014 erwähnt. Kommentarlos. Und bis Redaktionsschluss wurde die Neuerung weder in der Online-Version des Medienethik-Ratgebers des Presserats noch in dessen App nachgeführt. Dort finden orientierungsbedürftige Journalisten immer noch die alte Version. So ernst der Presserat von den Gerichten bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte genommen wird, wenn sie unbestimmte Rechtsbegriffe zu füllen haben, so wenig scheint sich der Presserat selbst seiner Bedeutung bewusst zu sein.

Netzpolitik.org: Empörung in Deutschland, Alltag in der Schweiz

In Deutschland wurde das Strafverfahren gegen netzpolitik.org nach lautstarken Protesten eingestellt. In der Schweiz hingegen werden Journalisten wegen ähnlicher Taten verurteilt. Jahr für Jahr. Und kein Hahn kräht danach.

Das Strafverfahren wegen Landesverrats gegen die beiden deutschen Journalisten  Markus Beckedahl und André Meister der Internetplattform netzpolitik.org wurde am 10. August 2015 eingestellt.

Beckedahl und Meister hatten Auszüge aus den Haushaltsplänen des Verfassungsschutzes publiziert, die belegten, dass der Verfassungsschutz 75 zusätzliche Mitarbeiter anstellen will, die das Internet nach verdächtigen Mitteilungen durchsuchen. Am 30. Juli war bekannt geworden, dass der Generalbundesanwalt gegen die Redaktion ermittelt.

Beckedahl fiel aus allen Wolken, als er von den Ermittlungen hörte: „Ich wusste gar nicht, dass Journalisten wegen Landesverrates angeklagt werden können. Ich dachte sowas ist einmal beerdigt worden“, sagte er in einem Interview mit dem „Medienmagazin“ von Radio Eins.

Tja, Markus Beckedahl – in der Schweiz ist das üblich! Da braucht es nicht einmal den Vorwurf des Landesverrats: Pro Jahr ergehen gemäss Polizeistatistik durchschnittlich zwei Anzeigen gegen Journalisten, weil sie aus geheimen Dokumenten zitiert haben. Meist werden sie verurteilt, denn dem Bundesgericht genügt es bereits, wenn Journalisten aus einem Schriftstück zitieren, das für geheim erklärt wurde. Den höchsten Schweizer Richtern ist egal, wenn die ganze Schweiz dieses Geheimnis bereits kennt. Und dabei kann es um Banalitäten gehen – weit weg vom Landesverrat.

Das musste zuletzt ein Journalist der NZZ am Sonntag erfahren, der aus einem (geheimen) Kommissionsprotokoll des Nationalrats Äusserungen der damaligen Justizministerin Eveline Widmer Schlumpf über den damaligen Bundesanwalt zitierte. Das alleine genügte dem Bundesgericht 2013 für eine Verurteilung.

Es war egal, dass die ganze Schweiz wusste, dass die Justizministerin und der Bundesanwalt das Heu nicht auf der gleichen Bühne hatten. Immerhin wurde der Entscheid an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weitergezogen. Vielleicht muss hier Strassburg der Schweiz ein weiteres Mal beibringen, was Medienfreiheit heisst.  Doch bis zu einem Entscheid dauert es in der Regel rund sechs Jahre.

Denn die Schweiz erscheint im Vergleich zu Deutschland wie ein Entwicklungsland in Sachen Medien- und Pressefreiheit. Der entscheidende Unterschied liegt in Artikel 293 des Schweizer Strafgesetzbuches, der jeden unter Strafe stellt, der aus Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen einer Behörde, zitiert, die als geheim erklärt worden sind. Da braucht es keinen Landesverrat, sondern simpelste Geheimnisse (die manchmal gar keine sind) genügen. Das Parlament diskutiert zwar erneut über diesen Strafartikel, will ihn aber nicht streichen, sondern nur geringfügig modifizieren.

In Deutschland wurde ein vergleichbarer Straftatbestand 1980 gestrichen. Das Land lebt gut damit. Verwaltung und Parlament sind nicht zusammengebrochen. Und das Verfahren wegen Landesverrats wirkt wie das letzte Aufbäumen eines alten Staatsverständnisses, das offenbar nur noch wenige teilen – wie die Proteste und Reaktionen der letzten Tage gezeigt haben.

4 theses to the relationship between whistleblowers and media

What ist the current practice of whistleblowing in Swiss media? Here my 4 theses.*

Thesis 1: Whistleblowers are the main source of investigative journalism. But…

Thesis 2: They often do not initiate the stories. They enforce them. So the stories often gain their critical power only through whistleblowers – the power to really change things.

That’s the classic development of an investigativ story: A journalist presumes a serious deficit in a certain field of public or private activity. He starts his inquiries through freedom of information act and other open sources, then publishes a first text. This text attracts Whistleblowers if the text points to a actual deficency.

With the specific informations of the whistleblower the journalist can write a second, third and more texts which really frame the deficency and name the responsible. So the pressure is high enough to change structures and staff.

That’s how many of the big stories of the last months worked: The corruption-in-the-seco-case, the case of the offshore accounts of the Ammann-Group, even the story of the Zentrale Ausgleichskasse in Geneva they all started without whistleblowers on a first level.  And even the story about the deficiency in the Social Departement of Zurich: Esther Wyler and Margrit Zopfi only went to Alex Baur, after he had written a first critical text about abuse of social welfare.

Thesis 3: There are two challenges to be met and the media have learned the lesson

First: The challenge to protect the sources. Media have learned the lesson. Neither the whistleblower of the Ammann- nor the one oft he Seco-Story have been or will be discovered. The technics of communication, the behavior of journalists and whistleblowers have evolved and the necessary skills are taught in journalism schools or investigativ networks. And the courts are helping.

Second: The challenge to triage the hate driven whistleblowers without information of public interest from the others. I think most journalists and most desks do a good job.

Theses 4: Editors and Parliament have to help

I appeal to the Editors to install secure communication technics in the editors desks. At least one secure computer with secure communication technics like PGP and TOR should be available. Or even a digital Postbox like the one at the magazine Beobachter which I developped. Today secure communication is in the responsibility of the journalist himself.

I appeal to the Legislator to protect whistleblowers better and to reinforce the right to protect the source. Today whistleblowers can be dismissed without reason, in the best case they get a compensation of 3 or 4 monthly salaries and they risk a prosecution because of illegal breach of secrets.

Whistleblowers should be allowed to inform the media after they have reported the grievances and defects to an intern and an extern notification office. The Federal Council and the house of states (Ständerat) wanted to forbid whistleblowers any contact with media. This bill now has been sent back to the federal council.

The right to protect sources (Art. 28a StGB) isn’t strong enough in Switzerland. Just in cases of corruption swiss journalists can’t garantee source protection! Because these delicts are excluded. Most of corruption delicts are on the list of exemptions in paragraph 2 of article 28a StGB (Art. 322ter to 322sexies – for example „Vorteilsannahme“, „Bestechung“ etc.). This must be changed.

 

* That’s the Topic of my speech and of the pannel discussion, I will attend at IAM in Winterthur on thursday, 5th of february 2015 (together with Oliver Zihlmann, Sonntagszeitung; Christian Hauser, HTW Chur; Urs Dahinden, HTW Chur.)

Quellenschutz in 11 Lektionen

2014 war das Jahr des Quellenschutzes: Die Gerichte stärkten ihn in fünf wichtigen Urteilen, das Parlament stoppte eine medienfeindliche Whistleblower-Vorlage und unlautere Praktiken gegen recherchierende Journalisten erreichten eine neue Dimension. Grund genug für einen Crashkurs in Quellenschutz.

Lektion 1: Quellenschutz im Detail abklären

Journalisten dürfen in den meisten Fällen das Zeugnis verweigern, so zum Beispiel in Verfahren wegen Amtsgeheimnisverletzung. Sie dürfen sich auch gegen die Beschlagnahme von Dokumenten und Daten und eine Redaktions- oder Hausdurchsuchung wehren (so genanntes Zeugnis- und Editionsverweigerungsrecht, vgl. Art. 28a StGB; Art. 172 und 248 StPO). Dieses Verweigerungsrecht gilt aber nicht in allen Fällen. Das Gesetz definiert Ausnahmen vom Quellenschutz. So können Medienschaffende Informanten nicht schützen, wenn es um einen von 25 Tatbeständen geht, die im Gesetz ausdrücklich genannt werden: Neben Mord und vorsätzlicher Tötung gilt das zum Beispiel auch bei Kinderpornographie (Art. 197 Ziff.3 StGB) oder schweren Fällen von Drogendelikten (Art. 19 Abs. 2 BetMG). Dieser Ausnahmekatalog birgt Überraschungen. So fällt auf, dass ausgerechnet  Korruptionsdelikte wie Bestechung oder Vorteilsannahme vom Quellenschutz ausgenommen sind (Art. 322ter bis Art. 322septies StGB). Eine wenig durchdachte Regelung. Aber gerade deshalb sollten Journalisten den Ausnahmekatalog studieren. Damit er einfacher zu erfassen ist, ist hier eine Liste abrufbar (Deliktskatalog_Quellenschutz_kurz_15_01_16).

Dass der Quellenschutz löchrig ist, musste 2014 eine Journalistin der Basler Zeitung (BAZ) erfahren. Sie hatte einen Hanfhändler porträtiert und dabei erwähnt, dass er mit seinem Cannabisgeschäft 12‘000 Franken Jahresgewinn macht. Das hätte sie besser bleiben lassen. Ab einem Jahresgewinn von 10’000 Franken gilt gemäss Gerichtspraxis auch der Handel mit Hanfprodukten als «schwerer Fall» im Sinn von Art. 19 Abs. 2 BetMG. Das Bundesgericht hat den Quellenschutz also verneint und – erstaunlicherweise – das Strafverfolgungsinteresse höher gewichtet als die Medienfreiheit (vgl. Urteil 1B_293/2013 des Bundesgerichts vom 31. Januar 2014; Erläuterungen dazu von Denise Schmohl in medialex 3/2014, S. 70ff). Das öffentliche Interesse am BAZ-Text ist gemäss Bundesgericht nicht gross, da die Journalistin dem Hanfhändler eine Plattform eingeräumt und den Drogenhandel verharmlosend als „quasi normales Gewerbe unter Kollegen“ dargestellt habe. Konsequenz: Die Journalistin muss den Namen nennen, oder sie wird gebüsst. Da sie jedoch den Fall an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (EGMR) weitergezogen hat, verzichtet die Staatsanwaltschaft bis auf weiteres auf eine Busse. Bis der EGMR entscheidet, dauert es im Durchschnitt sechs Jahre. Übrigens: Die Journalistin hätte sich den Ärger ohne grosse Abstriche am Text sparen können, wenn sie keine Zahl oder dann 9999 Franken Jahresgewinn genannt hätte (mit einem Smiley für den Staatsanwalt).

Lektion 2: Die Quelle von Anfang an schützen

Quellenschutz beginnt nicht erst, wenn der Journalist vor dem Staatsanwalt antraben muss und dem Amtsträger tapfer sagt: „Ich beanspruche mein Zeugnisverweigerungsrecht“. Dann ist es oft zu spät. Quellenschutz beginnt bereits beim ersten Kontakt mit dem Informanten. Dabei sind die untenstehenden Punkte 3 bis 10 zu beachten und mit dem Informanten ausführlich zu besprechen.

Im Frühling 2014 hat ein Sonntagsblick-Journalist in einem Strafverfahren wegen Amtsgeheimnisverletzung, das Nationalrat Christoph Mörgeli gegen Amtskollegin Kathy Riklin eingeleitet hatte, freiwillig auf seinen Quellenschutz verzichtet und gegenüber den Untersuchungsbehörden eine Aussage gemacht. Das Vorgehen stiess auf Kritik: Ein Journalist habe den Quellenschutz in jedem Fall zu beanspruchen, sonst verliere er seine Glaubwürdigkeit – lautete die einhellige Reaktion in Sozialen Medien, von Presserat und Sonntagsblick-Chefredaktorin Christine Maier. (vgl. Bericht im Tages-Anzeiger vom 30. Juni 2014).

Lektion 3: Reinen Wein einschenken und frei entscheiden lassen

Die Journalistin sollte mit dem Informanten besprechen, welche Konsequenzen Whistleblowing für ihn hat. Gemäss aktueller Rechtsprechung verletzt zum Beispiel ein öffentlich-rechtlich Angestellter das Amtsgeheimnis, wenn er Missstände nicht zuerst dem Vorgesetzten oder einer internen Meldestelle und danach einer externen Behörde (Staatsanwalt, Ombudsstelle) meldet, bevor er sich an die Medien wendet. Der Schutz vor Kündigung ist im öffentlichen Recht teilweise gut (vgl. etwa Art. 22a des Bundespersonalgesetzes), teilweise schlecht ausgebaut – im Privatrecht inexistent (die Kündigung ist in jedem Fall gültig; wegen missbräuchlicher Kündigung kann höchstens eine Entschädigung von 3-4 Monatslöhnen erstritten werden). Die aktuelle Gesetzesvorlage des Bundesrates will den Schutz von Whistleblowern im Privatrecht sogar noch verschlechtern und den Gang an die Medien ganz verbieten (vgl. dazu Justizblog: „Die Angst des Parlaments vor sich selbst“). Informanten sollten ihren Entscheid, an die Öffentlichkeit zu gehen, im vollen Bewusstsein der allfälligen Konsequenzen fällen. Eine solche Aufklärung schützt den Journalisten auch vor einem möglichen Vorwurf der Anstiftung zu Delikten wie Amts- oder Bankgeheimnisverletzung.

Lektion 4: Die Nadel im Heuhaufen verstecken

Der Journalist muss am Anfang seiner Arbeit mit der Informantin abklären, ob die Quelle überhaupt geschützt werden kann. Hat zum Beispiel die Informantin einen Missstand bereits als einzige an den Chef gemeldet, ist dem Chef sofort klar, wer an die Medien gelangt ist, wenn genau dieser Missstand öffentlich wird. Manchmal kann der Journalist mit gezielten Massnahmen die Nadel im Heuhaufen verstecken: Er nimmt mit möglichst vielen Personen innerhalb der Firma, des Amtes Kontakt auf, aus der die Informantin stammt, um so den Verdacht auf mehrere Personen zu verteilen. Verfügen die Informanten (oder das Medium) über finanzielle Mittel, lohnt es sich, einen Anwalt vorzuschalten. Der Anwalt tritt dann stellvertretend für die Informanten an die Öffentlichkeit. Er kann die Quelle zusätzlich durch das Anwaltsgeheimnis schützen.

 So hat etwa der Zürcher Rechtsanwalt Ueli Vogel-Etienne Missstände im Migrationsamt des Kantons Zürich publik gemacht, die zur Entlassung des Verantwortlichen geführt haben (vgl. den externen Untersuchungsbericht). Die Whistleblower konnten anonym bleiben.

Lektion 5: Mit den Informanten das Verhalten besprechen

Sinnvoll sind Instruktionen, was die Informantin machen soll, damit sie keinen (zusätzlichen) Verdacht auf sich zieht (vgl. die Verhaltenstipps für Whistleblower des Beobachters auf https://sichermelden.ch/). Whistleblower outen sich nämlich durch unvorsichtiges Vorgehen meist selbst. Gibt es zum Beispiel interne Sicherungsmassnahmen beim Zugang zu Dokumenten oder Dateien auf internen Computern? Oder wird das Layout von Dokumenten leicht geändert, um den Zeitraum des Downloads nachträglich bestimmen zu können?

Lektion 6: Informanten auf Strafverfolger vorbereiten (Versiegelung)

Der Journalist sollte den Informanten instruieren, dass dieser bei einer Hausdurchsuchung oder der Beschlagnahme von Dateien, Computern, Dokumenten sofort die Versiegelung verlangt (Art. 248 Abs. 1 StPO). Journalistische Dokumente oder Kontakte fallen nämlich gemäss Bundesgericht unter Quellenschutz – egal, wo sie sich befinden (vgl. Urteile 1B_424/2013, 1B_436/2013) – vorausgesetzt natürlich, dass überhaupt Quellenschutz besteht (vgl. Lektion 1).

Diese Entscheide hat Christoph Blocher erstritten. Gegen ihn ermittelt die Zürcher Staatsanwaltschaft wegen Gehilfenschaft und Anstiftung zur Bankgeheimnisverletzung im Fall Hildebrand. Sie durchsuchte im März 2012 sein Haus, beschlagnahmte Dokumente und Datenträger. Blocher verlangte sofort die Versiegelung und wehrte sich erfolgreich bis vor Bundesgericht gegen die Entsiegelung: Die Strafverfolger dürfen keine journalistischen Dokumente der «Weltwoche» verwenden – weder in Papier- noch in Datenform, urteilten die Richter (Urteile vom 22. Juli 2014 1B_424/2013, 1B_436/2013.).

Lektion 7: Informanten vor unlauteren Aktionen warnen

Informanten und Journalisten müssen sich bewusst sein, dass sie allenfalls von der kritisierten Person mit unlauteren Mitteln angegangen werden – zum Beispiel durch Privatdetektive, die sich als Journalisten ausgeben. Auch diese Erkenntnis wuchs im Jahre 2014 durch zwei Aufsehen erregende Fälle.

So wurden etwa Ärzte, die Missstände im Herz-Zentrum Bodensee öffentlich gemacht hatten, von einem angeblichen Journalisten eines deutschen Fernsehsenders interviewt. Auf seiner Visitenkarte stand „Medienrecherche für Filmdokumentation“. Der Interviewer war aber nicht Journalist, sondern Privatdetektiv, der für die kritisierte Klinikleitung Informationen beschaffte (vgl Beobachter vom 21. Februar 2014 „Schnüffler gegen Ärzte“). In einem anderen Fall fand der damalige RTS-Journalist Yves Steiner auf seinem Computer eine von aussen installierte Software, die ihn ausspionieren sollte. Damals recherchierte er im Fall des Walliser Weinhändlers Dominique Giroud wegen des Verdachts auf Weinpanscherei und Steuerhinterziehung. Giroud soll mit Hilfe eines Privatdetektivs, einem Agenten des Nachrichtendienstes des Bundes und einem Hacker einen Trojaner auf den Computern des RTS-Journalisten und der Walliser-Korrespondentin von Le Temps eingeschleust haben. In dieser Sache laufen verschiedene Verfahren (vgl. Tages-Anzeiger vom 26. Juni 2014 „Girouds Anwälte gehen aufs Westschweizer Fernsehen los“). Unter anderem fordert Giroud von der SRG eine Entschädigung von 30 Millionen Franken. Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hat Mitte Oktober 2014 eine Beschwerde Girouds mit fünf zu vier Stimmen knapp abgewiesen.

Lektion 8: Wenn immer möglich analog kommunizieren

Die Journalistin sollte mit dem Informanten die Form der Kommunikation definieren. Analoge Kommunikation bietet den besten Quellenschutz: Direkte Treffen und Gespräche, physische Übergabe von Dokumenten. Digitale Kommunikation, also telefonieren mit Festnetz oder Mobile sowie verschicken von E-Mails, ist unsicher und kann nachträglich via Vorratsdatenspeicherung vom Staatsanwalt nachvollzogen werden.

Daran hat selbst Christoph Blocher nicht gedacht, als er sich – erfolglos – gegen die nachträgliche Telefonüberwachung wehrte (Bundesgerichtsentscheid vom 22. Juli 2014, Urteil 1B420/2013). Er hat nicht gerügt, dass durch die Auswertung seiner Kommunikationsdaten der Quellenschutz verletzt worden sei. Darum hat das Bundesgericht diese Frage gar nicht behandelt.

 Immerhin darf ein Staatsanwalt E-Mails nicht direkt beim Arbeitgeber herausverlangen mit dem Argument, der Chef habe ja Anzeige erstattet und müsse jetzt im Verfahren auch gebührend mitwirken. Die Strafverfolger müssen diese Daten beim Dienst ÜPF anfordern und brauchen dafür eine Bewilligung des Zwangsmassnahmegerichts. Dies hat das Bezirksgericht Zürich im Fall Iris Ritzmann festgestellt (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2014).

Die Universität Zürich hatte im Rahmen eines Strafverfahrens, das sie selbst durch eine Anzeige ausgelöst hatte, freiwillig und ohne Zwang E-Mails an Medienschaffende von Ritzmann und anderen Mitarbeitern der Universität übergeben. Die Staatsanwaltschaft kann diese nicht als Beweise verwerten, weil sie nicht auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg beschafft wurden. Sie hätte die E-Mails via nachträgliche Telefonüberwachung beim Dienst ÜPF herausverlangen müssen.

Lektion 9: Elektronische Kommunikation unzugänglich machen

Falls eine Medienschaffende auf Telefon und E-Mail nicht verzichten will, sollte sie mit der Informantin vereinbaren, dass sie nur von (einer der wenigen verbliebenen) öffentlichen Telefonkabinen aus oder mit verschlüsselten Mails (Pretty Good Privacy PGP; vgl. Anleitung der Privacy Foundation) via Tor-Netzwerk kommuniziert. Für den Upload von Dateien gibt es sichere Software (vgl. etwa beim Beobachter www.sichermelden.ch); mit etwas Geduld lässt sich ein vergleichbar sicherer elektronischer Briefkasten auch privat installieren (vgl. etwa secure drop der Freedom of Press Foundation). Eine gute Zusammenstellung von Tipps und Tools für Whistleblowers findet sich auf der Website des Global Investigative Journalism Network. Medienschaffende sollten von ihren Chefs und Verlegern unbedingt fordern, dass es in der Redaktion mindestens einen Computer gibt, der mit der nötigen Software ausgerüstet ist.

Lektion 10: Vorsorgliches Gesuch an den Dienst für Überwachung stellen

Falls die Journalistin mit dem Informanten ungesichert mobil oder per Festnetz telefoniert hat, sollten sie dem Dienst für Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Dienst ÜPF) des Bundes umgehend mitteilen, dass diese Kommunikation unter Quellenschutz fällt und bei einem allfälligen Gesuch einer Strafverfolgungsbehörde auszusondern ist. Der Dienst ÜPF muss den Namen des Journalisten, des Informanten und die Intervention selbst geheim halten. Stellt später in einem allfälligen Strafverfahren ein Staatsanwalt ein Gesuch auf nachträgliche Telefonüberwachung, kann man diese Daten nicht mehr entfernen, ohne die Quelle zu verraten.

Nachtrag vom 5. April 2016: Diese Lösung ist schwer praktikabel, da man das Gesuch an die Polizei der 26 Kantone und die Fernmeldedienstanbieter stellen müsste. Nach Auskunft von Niels Güggi vom Dienst ÜPF werden die Randdaten bei der rückwirkenden Telefonüberwachung direkt vom Fernmeldedienstanbieter an die Polizei geschickt, ohne dass der Dienst ÜPF oder ein Zwangsmassnahmegericht eine Triage vornehmen könnten. So hebelt die Vorratsdatenspeicherung den Quellenschutz definitiv aus, denn der Beschuldigte erfährt davon erst am Ende des Vorverfahrens, der Journalist mitunter gar nie.

Lektion 11: An den eigenen Schutz denken

Nicht nur gegen Informanten, sondern auch gegen Journalisten können Strafverfahren eingeleitet werden. Das musste der Le Matin-Journalist Ludovic Rocchi erleben, der zu einem Neuenburger Universitätsprofessor wegen Plagiatsvorwürfen recherchierte und publizierte. Der Betroffene reichte gegen Rocchi eine Strafanzeige wegen Ehrverletzung ein. In diesem Verfahren führte der Staatsanwalt eine Hausdurchsuchung bei Rocchi durch und beschlagnahmte Datenträger. Dies geschah widerrechtlich, wie das Zwangsmassnahmegericht Val de Ruz (NE) in einem unterdessen rechtskräftigen Entscheid am 22. Mai 2014 feststellte (vgl. dazu auch den Artikel in Le Matin „Affaire Rocchi: Une Victoire pour la presse“. Der Quellenschutz schützt journalistische Dokumente auch in einem Strafverfahren gegen den Medienschaffenden selbst.

Die Daten dürfen nicht verwertet werden, aber trotzdem hatte der Staatsanwalt in den Stunden, bevor Rocchi die Versiegelung verlangte, wichtige Informationen einsehen können. Entscheidend ist also, dass der Journalist sofort die Versiegelung verlangt (Art. 248 Abs. 1 StPO), wenn die Polizisten mit Hausdurchsuchungsbefehl vor dem Haus stehen.

Literatur:

_Schmohl, Denise, Der Schutz des Redaktionsgeheimnisses in der Schweiz, Diss. Universität Zürich, Schulthess 2013
_Schmohl, Denise, Die Gewährleistung des Informanten- und Quellenschutz im Strafverfahren, Medialex 3/2014 vom 29. 8. 2014
_Zeller, Franz, Kommentar zu Art. 28a StGB in: Niggli, Marcel Alexander / Wiprächtiger, Hans (Hrsg.), Basler Kommentar Strafrecht, 3. Auflage, Basel 2013, 539 – 620
_Zeller, Franz, Kommentar zu Art. 172 StPO (Quellenschutz der Medienschaffenden), in: Niggli, Marcel Alexander / Heer, Marianne / Wiprächtiger, Hans (Hrsg.), Basler Kommentar Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2014, 1323 – 1358

„Voyeure“ und Denunzianten: Parlament erschwert Recherchen massiv

Schlechte Zeiten für Rechercheure: Der Ständerat beschliesst ein medienfeindliches Whistleblower-Gesetz, das gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstösst. Und der Nationalrat spricht sich gegen öffentliche Steuerregister aus.

Bundesrat und Parlament ergreift derzeit offenbar Furcht vor Medienschaffenden, die ihren Beruf ernst nehmen und recherchieren wollen: Wichtige öffentliche Register werden geschlossen, und ein neues Gesetz will Whistleblower zum Schweigen bringen. So können Medien ihre Kontrollfunktion immer schlechter wahrnehmen und der Öffentlichkeit fehlen zunehmend zentrale Informationen – vor allem aus der Privatwirtschaft.

Öffentliche Steuerregister Ade!

Mitte September lehnte es der Nationalrat ab, die Kantone zu verpflichten, öffentliche Steuerregister beizubehalten. Und eine knappe Woche später beschloss der Grosse Rat des Kantons Bern, dass Steuerdaten nur noch eingesehen werden können, wenn man ein berechtigtes Interesse nachweist.

Damit schliesst sich für Journalisten auch im Hauptstadtkanton eine wichtige Quelle, die schweizweit ganz zu versiegen droht – und zwar in rasantem Tempo: Waren die Steuerregister noch vor zehn Jahren in der Mehrheit der Kantone öffentlich, sind sie es heute nur noch in sechs – und falls Bern wegfällt – noch in fünf.

Hauptargument der Politiker ist der Schutz vor Voyeurismus. Doch Steuerregister waren jahrzehntelang öffentlich, ohne dass „Voyeure“ Schaden angerichtet hätten. Man reibt sich die Augen über die Qualität der Arbeit des Parlaments. Hätte ein Journalist mit so ungesicherten Quellen einen Artikel geschrieben, wäre er von Presserat und Gerichten abgestraft worden.

Dass Steuerregister für geheim erklärt werden, kommt vor allem reichen Personen und Firmen zu gute. Es schadet aber der 4. Gewalt – den Medien – die immer weniger Quellen heranziehen können, um guten Journalismus zu betreiben. Der private Sektor kann sich abschotten. Und die Politik hilft dabei.

EMRK-widriges Whistleblowergesetz

Ähnlich die Entwicklung beim neuen Whistleblowergesetz, das der Ständerat vor kurzem gutgeheissen hat. Bundesrat und Ständerat wollen Arbeitnehmenden, die in ihren Firmen Missstände beobachten, verbieten, an die Medien zu gelangen. Dies selbst dann, wenn sie die Missstände an eine interne Meldestelle und an eine externe Behörde wie die Staatsanwaltschaft gemeldet haben. Falls die Behörde die Whistleblower nämlich innert 14 Tagen informiert, darf die Öffentlichkeit nichts erfahren – selbst wenn die Behörde nichts gegen den Missstand macht. Der Whistleblower muss schweigen.

„Die Rolle des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin beschränkt sich auf die Inkenntnissetzung der Behörde. Er oder sie hat die Angemessenheit der Reaktion der Behörde nicht zu beurteilen und ihre Entscheide nicht in Frage zu stellen“, schreibt der Bundesrat in seiner Botschaft zu der Teilrevision des Obligationenrechts (Seite 9547) Und mit entwaffnender Klarheit: „Wenn das Vorgehen der Behörde unzureichend ist oder keine Auswirkungen auf das gemeldete unerlaubte Verhalten hat, darf sich der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin nicht an die Öffentlichkeit wenden.“ (Seite 9515).

Das Hauptargument hier: Man wolle das Denunziantentum nicht fördern. Auch dies eine Behauptung ohne Grundlage: Erstens gab es kaum Whistleblower aus der Privatwirtschaft. Und zweitens war die überwiegende Zahl von Missstandsmeldungen bisher berechtigt: Von mangelndem Controlling bei der Sozialhilfe im Zürcher Sozialdepartement bis zum Ressortleiter im Seco, der mutmasslich in die eigene Tasche wirtschaftete.

Zudem behaupteten Bundesrätin Simonetta Sommaruga und die Ständeräte der Kommissionsmehrheit in der Ratsdebatte, man schreibe mit dem neuen Gesetzesartikel nur die geltende Rechtsprechung fest und verschlechtere den Schutz von Whistleblowern nicht. Sommaruga im Originalton: „Ich möchte betonen, dass wir bewusst darauf geachtet haben, die Arbeitnehmenden nicht schlechterzustellen, als dies nach geltendem Recht der Fall ist.“ Mit Verlaub, Frau Bundesrätin, das ist falsch.

Gemäss Bundesgericht darf eine Arbeitnehmerin an die Medien gelangen, wenn die Behörde nichts unternimmt. So hält das höchste Schweizer Gericht in seinem Leitentscheid fest, dass der Arbeitnehmer an Medien gelangen dürfe, „wenn die Behörde untätig bleibt – und wenn es die Umstände rechtfertigen.“ (vgl. BGE 127 III 310, Erw. 5a).

Genau so entschied im Juli 2011 auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Heinisch. Gemäss EGMR beschädigten die Vorwürfe der deutschen Altenpflegerin Brigitte Heinisch zwar den Ruf und die Geschäftsinteressen des Arbeitgebers. In einer demokratischen Gesellschaft überwiege jedoch das Interesse der Allgemeinheit, von Missständen in der Altenpflege zu erfahren. Deshalb durfte die Altenpflegerin – nachdem die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Betruges eingestellt hatte – an die Öffentlichkeit gelangen.

Gemäss geltender Rechtsprechung dürfen Whistleblower die „Angemessenheit der Reaktion der Behörde“ also durchaus beurteilen und ihre Rolle „beschränkt sich nicht auf die Inkenntnissetzung der Behörde“. Wenn die Behörde untätig bleibt, dürfen sie an die Medien gehen. Damit verstösst das vom Ständerat beschlossene Gesetz wohl gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Solch schlecht informierte Gesetzesarbeit ist an und für sich bereits bedenklich. Zusätzlich aber werden damit die Rahmenbedingungen für qualitativ guten Journalismus weiter verschlechtert. So können Medienschaffende ihre „Watch-Dog“-Funktion, die Politiker, Bundesgericht und EGMR immer wieder beschwören, immer weniger wahrnehmen.

Bleibt nur zu hoffen, dass der Nationalrat als Zweitrat diesen Fehler korrigiert.

P.S. Auffällig ist die Schere, die sich zwischen Staat und Privatwirtschaft öffnet: Die öffentliche Hand wird mit Hilfe von Öffentlichkeitsgesetzen, fortschrittlichen Whistleblower-Regelungen und dem Prinzip der Justizöffentlichkeit immer transparenter. Die Privatwirtschaft kann sich hingegen immer weiter von der Öffentlichkeit abschotten.

Nachtrag: Am 14. November 2014 hat die Rechtskommission des Nationalrats beschlossen, die Whistleblowersvorlage an den Bundesrat zurückzuweisen, damit er sie vereinfacht und verbessert.

Rechtsunsicherheit hemmt Recherche

Schweizer Medienschaffende stehen oft mit einem Bein in der Illegalität, wenn sie ihren Job gut machen wollen. Bei der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen, bei der verdeckten Recherche, dem Einsatz einer versteckten Kamera oder dem Quellenschutz ist die Praxis des Bundesgerichts so restriktiv, dass die Recherchequalität in der Schweiz leidet oder zu leiden droht. Medienwissenschafter sollten die Folgen dieser Urteile für die Berichterstattung in der Schweiz und damit für die Demokratie erforschen.

Dies geschah bisher in der Schweiz kaum. Nach Einschätzung von Professor Heinz Bonfadelli „hat sich die empirische Forschung wenig mit journalistischer Forschung befasst.“ Erstaunlich, denn Recherche ist vital für Machtkontrolle und verlässliche Information. Und diese sind wiederum vital für die Demokratie.

Deshalb sind solche medienwissenschaftliche Studien zu den Rahmenbedingungen der Recherche dringend nötig. Nur so kann Parlamentariern klar werden, dass es dringenden Gesetzgebungsbedarf gibt, um die Recherche in der Schweiz zu stärken – und damit eine Grundvoraussetzung von Demokratie sicherzustellen. Mehr dazu im Vortrag an der Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaften vom 12. April in Zürich. Quasi ein Hilferuf an die Medienwissenschaftr.
Vortrag SGKM_14_04_14

Das Ende der Omerta in der Justiz

Die Justiz ist eine der letzten staatlichen Organisationen, die sich den Bürgerinnen und Bürgern nicht erklärt. Noch immer gilt der Grundsatz: Ein Urteil spricht für sich. Das ist falsch.

Will die Justiz in der heutigen Zeit Vertrauen erhalten oder gar zurückgewinnen, muss sie aktiv kommunizieren
sowohl in normalen wie auch in Krisen-Zeiten. Damit dies gelingt, müssen Gerichte die Zugangsrechte von Medienschaffenden zu Urteilen (Art. 30 Abs. 3 BV und die Präjudizien des Bundesgerichts dazu) respektieren.

Sie müssen aber auch intern eine positive Fehlerkultur aufbauen und Kommunikationskonzepte erarbeiten. Richterinnen und Richter, die Führungsaufgaben übernehmen, müssen in (Krisen-)Kommunikation geschult sein. Diese Forderungen habe ich in einem Artikel in der Richterzeitung  (Richterzeitung_6_März_13) ausführlich dargelegt.

Eine kleine Erkenntnis, die mittelfristig relevant werden könnte: Ausser den Richtern selbst unterstehen alle Angestellten des Bundesgerichts dem Personalgesetz des Bundes. Sie können somit Missstände an die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) als Whistleblower-Anlaufstelle melden. Wenn also ein juristischer Sekretär, ein Gerichtsschreiber oder ein Generalsekretär zum Beispiel Unregelmässigkeiten in der Zusammensetzung des Spruchkörpers feststellt, darf er das der EFK melden, ohne dass ihm daraus irgendwelche Nachteile erwachsen (Art. 22a BPG).

Dann würde die Bundesverwaltung zentrale Entscheide der höchsten Judikative kontrollieren. Das könnte im konkreten Fall zu massivem Protest der Richterschaft führen und zumindest von der Gewaltenteilung her problematisch sein.