Hausfriedensbruch einmal anders

Ein 70-jähriger Schweizer wird innert zwei Monaten drei Mal wegen Hausfriedensbruchs verurteilt. Es ist immer dasselbe Haus. Es steht in Zürich am Kreuzplatz 11. Wieso er das tut, bleibt ein Rätsel.

Ort: Zürich
Zeit: 21. Dezember 2017 bis 28. März 2018
Fall-Nr: STAZL B-6 STR 2017 10034343 vom 24.10.2017, 10036353 vom 20.11. 2017 und 10040203 vom 21.12.2017
Thema: Strafbefehle wegen mehrfachen Hausfriedensbruchs

In schöner Regelmässigkeit wird Erwin Küng* gegen Monatsende bestraft: Am 24. Oktober, am 20. November und am 21. Dezember 2017. Immer wegen des gleichen Delikts: Hausfriedensbruch. Der 70-Jährige hat also ein Haus betreten, obwohl er das nicht durfte.

Zuerst verurteilt ihn die Staatsanwaltschaft Zürich/Limmat zu einer unbedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 Franken. Dann zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 30 Tagen. Und das dritte Mal nochmals zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 30 Tagen. Offenbar hat er noch öfter ohne Einwilligung ein Haus betreten: Gemäss Strafbefehl weist «der Beschuldigte 8 Vorstrafen wegen Hausfriedensbruch auf». Was hat der Mann für ein Problem?

Wie Justizblog und die Republik kürzlich berichteten, kommt man an die Strafbefehle erst nach einem langen und zähen Hürdenlauf. Dann ist klar: Das Haus, das Küng trotz Verbot immer und immer wieder betritt, steht am Kreuzplatz 11 in Zürich. Es ist ein Züri-WC.

"Der Beschuldigte wurde am 17. Oktober 2017, am 19. Oktober 2017 und am 7. November 2017 in der Toilette der Züri-WC am Kreuzplatz 11 in 
8032 Zürich angetroffen, und es wurde festgestellt, dass der 
Beschuldigte die Nächte vom 16. Oktober 2017 auf den 17. Oktober, vom 18. Oktober auf den 19. Oktober 2017 sowie vom 6. November 2017 auf den 7. November in besagter Toilette verbracht hatte. Der 
Beschuldigte tat dies, obwohl er wusste, dass gegen ihn mit Schreiben vom 30. März 2015 (dem Beschuldigten am 30. März 2015 persönlich 
ausgehändigt) für sämtliche Züri-WC ein gültiges Hausverbot besteht."

Auszug aus dem Strafbefehl B-6/2017/10036353 vom 20. November 2017

Zürich ist – gemäss Rating des Beratungsunternehmens Mercer – die Stadt mit der zweithöchsten Lebensqualität der Welt. Trotzdem übernachtet ein 70-jähriger Schweizer in einem WC und wird deshalb ins Gefängnis gesperrt. Unbedingt. 30 Tage lang.

Erwin Küng ist ein «Obdachloser». Eigentlich wohnt er in einem Haus für betreutes Wohnen des Sozialdepartements der Stadt Zürich. Aber offenbar zieht er die Toilette am Kreuzplatz 11 vor. «Niemand muss in der Stadt Zürich unfreiwillig draussen übernachten», sagt Seraina Ludwig, Mediensprecherin der Sozialen Einrichtungen und Betriebe der Stadt Zürich. «Grundsätzlich liegt es aber in der Entscheidung des Einzelnen, ob er oder sie unsere Angebote in Anspruch nimmt oder nicht.» Weshalb übernachtet Erwin Küng lieber in einem WC als in der städtischen Unterkunft? Weitere Angaben kann Ludwig «aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzes» nicht machen.

Pro Jahr spricht das Amt für Umwelt- und Gesundheitsschutz, das für die Züri-WC zuständig ist, ein bis zwei Hausverbote für städtische Toiletten aus. Die häufigsten Gründe: «Regelmässige Belästigungen von Kunden, Kundinnen oder Mitarbeitenden oder regelmässige, vorsätzliche Sachbeschädigungen», erklärt Mediensprecherin Bärbel Zierl. Was ist der Grund im Fall Erwin Küng? Wieso reicht Züri-WC gegen einen 70-jährigen Obdachlosen Strafanzeige ein? Auch Zierl kann aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine konkreten Angaben machen.

Was nützen 30 Tage Knast bei einem 70-jährigen Obdachlosen, der eine Toilette einem Haus für betreutes Wohnen vorzieht? Eine Strafe soll die Leute abschrecken, eine Straftat überhaupt zu begehen. Und sie soll einen Täter davon abhalten, erneut straffällig zu werden. Beides lässt sich bei Erwin Küng wohl nicht erreichen. Wieso wird er trotzdem bestraft? Warum etwa nimmt sich kein Sozialarbeiter der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) seiner an? Die Oberstaatsanwaltschaft Zürich «nimmt keine Stellung zur Strafart und zur Strafzumessung in Einzelfällen», erklärt Christian Philipp, stellvertretender Leiter der Kommunikation.

Da zeigt sich ein Grundproblem des Schweizer Strafrechts: Urteilen Richter, müssen sie ihr Verdikt im Detail erklären. Urteilen hingegen Staatsanwälte – und das tun sie unterdessen in sagenhaften 98 Prozent aller Strafverfahren –, müssen sie ihre Strafbefehle nicht begründen. So erfährt die Öffentlichkeit nicht, weshalb genau Erwin Küng ein «Hausverbot» in Züri-WC hat und wer da genau wovor geschützt werden muss. Die unbedingte Freiheitsstrafe von 30 Tagen leitet die Staatsanwaltschaft rein formaljuristisch her:

"Aufgrund des Verschuldens von Erwin Küng, seines Vorlebens und 
seiner persönlichen Verhältnisse (der Beschuldigte weist 8 Vorstrafen wegen Hausfriedensbruch auf) sind die Voraussetzungen für eine 
bedingte Strafe nicht gegeben. Vielmehr ist davon auszugehen, Erwin 
Küng sei nicht bereit, sich rechtskonform zu verhalten. Eine 
Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeit als Sanktionen kommen nicht 
infrage, da diese nicht vollzogen werden können, weil Erwin Küng 
weder über ein ausreichendes Einkommen noch über einen festen 
Wohnsitz in der Schweiz verfügt."

Auszug aus dem Strafbefehl B-6/2017/10036353 vom 20. November 2017

8. April 2018, 17.45 Uhr, Züri-WC am Kreuzplatz 11. «Platz» trifft es eigentlich nicht, es ist eher eine kleine Rettungsinsel im Verkehrsfluss, der sich von Zürich-Forch und Witikon in die City wälzt. Die Nummer 11 ist ein alter Sandsteinbau mit Schieferdach. Vier Säulen und eine ausgemalte Rundkuppel zeugen von altem Glanz. Unter der Rundkuppel duckt sich ein Kiosk, mit Graffiti versprayt. Und drei Züri-WC. Zwei davon sind gratis, in Vollchromstahl und hyperfunktional. Ein Trichter dient als Klosett und Lavabo in einem. Die WC-Brille schwenkt nach oben, wenn man sein Geschäft erledigt hat. Wer hier übernachten will, muss sich mit einer Grundfläche von einem Quadratmeter begnügen. Und einer Matratze aus Stahlgitter. Für den Eintritt ins dritte WC muss man einen Franken einwerfen, dafür hat es Heizung, ein separates Lavabo, eine fest montierte Klobrille und eine Grundfläche von vier Quadratmetern. An der Wand ein Schild:

"INFORMATION

Benützungszeit 15 Min.
Mit Eurokey 30 Min.
Achtung!
Tür öffnet 3 Minuten nach Aufleuchten der Warnlampe automatisch.
SOS-Taste nur im Notfall drücken."

An einem Ort, wo niemand lange bleiben will, wo Klobrillen in die Höhe schwenken, um nicht viel Platz einzunehmen, und Türen sich nach einer Viertelstunde automatisch öffnen, will der 70-jährige Erwin Küng auf einem Stahlrost von einem Quadratmeter oder einem Betonboden von vier Quadratmetern übernachten. Die Vollchromstahl-Einrichtung wirkt unzerstörbar. Von tätlichen Übergriffen ist nichts bekannt. Die Öffentlichkeit kann in dieser Zeit eines der drei WC nicht benutzen, und eine Putzequipe muss danach vielleicht sauber machen. Züri-WC und Staatsanwaltschaft geht das zu weit. Erwin Küng sitzt erst einmal 30 Tage im Knast.

* Name geändert

Dieser Text erschien erstmals am 25.4.2018 in der Onlinezeitung http://www.Republik.ch

Recht – verständlich erklärt

Recht – Verfassung, Gesetze, Verordnungen und Urteile der Justiz – prägt die öffentliche Diskussion, Politik, Medien und unser Leben. Doch Recht im Sinne von grundlegender Staatsbürgerkunde wird an unseren Schulen kaum gelehrt. Und so gibt es auch wenig brauchbare Einführungen ins Recht. Hier ist eine.

Damit eine sehr gute Einführung für alle greifbar ist, lade ich sie – mit Einwilligung des Autors Franz Zeller, Professor für Medienrecht an den Universitäten Bern, Basel und St. Gallen – auf meinen Blog.

Auf dass viele – auch Medienschaffende – sich das Skript an einem Regentag zu Gemüte führen. Es trägt vielfältige, nutzbringende Früchte. Ich versprechs.

FS 2018 Kapitel-00-Einfuehrung in RW (fuer juristische Laien)

Richter müssen mit Namen hinstehen

Journalisten haben einen Anspruch darauf zu erfahren, welche Richter einen Entscheid gefällt haben. Das neueste Präjudiz des Bundesgerichts zeigt, wie schwer sich (andere) Gerichte mit Transparenz tun.

Ein Journalist des Beobachters wollte wissen, welche Richter an einem Grundsatzentscheid von 2005 der damaligen Asylrekurskommission (ARK) beteiligt waren. Es ging in diesem Urteil um die Frage, ob Personen aus Eritrea, die vor dem Armeedienst desertiert sind, als Flüchtlinge gelten. Der Generalsekretär des Bundesverwaltungsgerichts, in das die damalige ARK heute integriert ist, schickte dem Journalisten Auszüge des Urteils, verweigerte aber gestützt auf das Archivierungsreglement des Bundesverwaltungsgerichts (SR 152.13) und den Schutz von Treu und Glauben der damaligen Richter die Bekanntgabe der Namen der Richter.

Das Bundesgericht hält nun klipp und klar fest, dass die Bekanntgabe eines Urteils nicht durch irgendwelche Archivierungsreglemente, sondern einzig durch Art. 30 Abs. 3 BV geregelt wird, der die grundsätzliche Öffentlichkeit der Justiz festlegt.

Und: Der Anspruch der Medien auf Bekanntgabe von Urteilen schliesst gemäss Bundesgericht auch die Namen der beteiligten Richter ein: „Die Kenntnisnahme erstreckt sich grundsätzlich auf das ganze Urteil mit Sachverhalt, rechtlichen Erwägungen und Dispositiv“, schreiben die fünf Bundesrichter. „Eingeschlossen ist auch der Spruchkörper. Die mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz verbundene Kontrollfunktion durch die Rechtsgemeinschaft wäre massgeblich beeinträchtigt oder gar illusorisch, wenn die beteiligten Gerichtspersonen unbekannt bleiben könnten.“ Und dann schreiben die Bundesrichter einen Satz, der ins Stammbuch aller Gerichte gehört: „Richter und Richterinnen üben ein öffentliches Amt aus, haben für die von ihnen getragenen Urteilen einzustehen und sich allfälliger Kritik (…) zu stellen.“

Fürwahr. Leider wurde dies bei vielen Gerichten – nicht nur dem Kantonsgericht Schaffhausen, das die Einsicht ins Dispositif eines Strafurteils gegen einen Physiotherapeuten verweigert – noch nicht wirklich zur Kenntnis genommen. Wieviele Bundesgerichtsentscheide braucht es noch, bisauch den unteren Instanzen klar ist, dass Medien in der Regel einen Anspruch auf Einsicht in Urteile haben?

Das Ende der Omerta in der Justiz

Die Justiz ist eine der letzten staatlichen Organisationen, die sich den Bürgerinnen und Bürgern nicht erklärt. Noch immer gilt der Grundsatz: Ein Urteil spricht für sich. Das ist falsch.

Will die Justiz in der heutigen Zeit Vertrauen erhalten oder gar zurückgewinnen, muss sie aktiv kommunizieren
sowohl in normalen wie auch in Krisen-Zeiten. Damit dies gelingt, müssen Gerichte die Zugangsrechte von Medienschaffenden zu Urteilen (Art. 30 Abs. 3 BV und die Präjudizien des Bundesgerichts dazu) respektieren.

Sie müssen aber auch intern eine positive Fehlerkultur aufbauen und Kommunikationskonzepte erarbeiten. Richterinnen und Richter, die Führungsaufgaben übernehmen, müssen in (Krisen-)Kommunikation geschult sein. Diese Forderungen habe ich in einem Artikel in der Richterzeitung  (Richterzeitung_6_März_13) ausführlich dargelegt.

Eine kleine Erkenntnis, die mittelfristig relevant werden könnte: Ausser den Richtern selbst unterstehen alle Angestellten des Bundesgerichts dem Personalgesetz des Bundes. Sie können somit Missstände an die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) als Whistleblower-Anlaufstelle melden. Wenn also ein juristischer Sekretär, ein Gerichtsschreiber oder ein Generalsekretär zum Beispiel Unregelmässigkeiten in der Zusammensetzung des Spruchkörpers feststellt, darf er das der EFK melden, ohne dass ihm daraus irgendwelche Nachteile erwachsen (Art. 22a BPG).

Dann würde die Bundesverwaltung zentrale Entscheide der höchsten Judikative kontrollieren. Das könnte im konkreten Fall zu massivem Protest der Richterschaft führen und zumindest von der Gewaltenteilung her problematisch sein.

Kleiner Rechtsrutsch am Bundesgericht

Am 26. September 2012 hat die Bundesversammlung Alexia Heine zur Bundesrichterin gewählt. Heine, die zum engeren Zirkel der Zürcher SVP gehört, ersetzt den liberalen Berner SVP-Bundesrichter Lorenz Meyer.

Mit 154 von 174 abgegebenen Stimmen (bei also 72 Enthaltungen oder Abwesenheiten) wurde Alexia Heine von der Bundesversammlung am 26. September zur Bundesrichterin gewählt. Die NZZ-Notiz ist gewohnt knapp und nichts sagend.

Keine Erwähnung in den Medien oder im Rat fand Heines Hintergrund: Sie gehört dem engeren Zirkel der Zürcher SVP an, gilt im Sozialversicherungsrecht als Hardlinerin und ist Lebenspartnerin des SVP-Werbers Alexander Segert, der diverse umstrittene SVP-Plakate, Kampagnen und das Minarett-Spiel entworfen hat.

SVP-intern ist ein gemässigter SVP-Mann und kompetenter Jurist aus dem Aargau unterlegen.

Eine vertiefte Analyse der Nominierungsabläufe hätte vor der Wahl Not getan. Auch die Definition dessen, was ein „guter“ Richter ist – neben Fach- braucht es wohl auch Sozialkompetenz und Teamfähigkeit.

Dies sind alles Fragen, die nicht ein Geheimzirkel namens Gerichtskommission und schliesslich die proporzmässig berechtigte Partei entscheiden sollten. Hier müssten auch die öffentliche Diskussion und die Kontrolle durch die Medien greifen.

Eine Verpolitisierung der Justiz würde dadurch kaum entstehen, wie es im Tages-Anzeiger von einigen Nationalräten moniert wurde (Artikel nicht online). Zumindest nicht stärker als sie bereits besteht, denn die Justiz fällt auch Urteile, die auf die Politik Einfluss haben. Und gerade das Beispiel Heine zeigt, dass der politische Hintergrund einer Richterin für die nominierende Partei wichtig, wenn nicht gar zentral ist. Es ist also eine im Geheimen verpolitisierte Justiz. Die Verschleierung dieser entscheidenden Faktoren ist in einer rechtsstaatlichen Demokratie stossend.

Betreffend „Rechtsrutsch“ mag man einwenden, dass Heine bloss den ebenfalls vor kurzem gewählten  „linken“ Bundesrichter Niklaus Oberholzer kompensiere. Mag sein. Dann gibt es tendenziell eine Polarisierung. Und: Auch bei Oberholzer wäre eine öffentliche Diskussion über seine fachlichen und sozialen Kompetenzen und seinen politischen Hintergrund richtig gewesen.

Bundesrichterwahlen: Die Kandidaten

Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt als Bundesrichter, Bundesverwaltungsrichter oder Bundesstrafrichter werden in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Justizblog versucht das zu ändern.

Wer hat Erfahrungen mit folgenden Personen, die von der Gerichtskommission zur Wahl vorgeschlagen werden? Antworten entweder via Xing oder auf mein Mail (vorname.nachname-at-gmx.ch). Kommentare werden nicht (mehr) aufgeschaltet, da die Gefahr von einseitigen Darstellungen zu gross wurde.

Die Wahl ist bereits am 26. September 2012. Deshalb ist eine Kontrolle erschwert. Im Unterschied zu Bundesratswahlen bleibt sehr wenig Zeit, um die Qualität der Spitzen der 3. Gewalt zu überprüfen.

Hier die am 18. September 2012 von der Bundesverwaltung öffentlich gemachten Namen:

  1. Frau Alexia Heine (SVP), Präsidentin des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich, als hauptamtliche Richterin des Bundesgerichts;
  2. Herrn Maurizio Greppi-Erb (SP), leitender Gerichtsschreiber am Kantonsgerichts Basel-Land, und Herrn Jürg Steiger (SVP), Gerichtsschreiber am Bundesverwaltungsgericht, als Richter des Bundesverwaltungsgericht.

Geschädigtenanwältinnen und Geschädigtenanwälte meldeten innert 48 Stunden vor allem Bedenken gegenüber Alexia Heine an, die als Hardlinerin im Sozialversicherungsrecht gelte. Die 3. Kammer des Zürcher Sozialversicherungsgerichts, die Heine derzeit präsidiert, falle durch harte bis kleinliche Urteile auf.

So schildert ein Geschädigtenvertreter den Fall eines Ergänzungsleistungs-Bezügers, dem diese 3. Kammer die unentgeltliche Rechtspflege verweigert habe mit dem Argument, nach Anrechnung des Freibetrages würden ihm ja monatlich noch 170 Franken Überschuss bleiben. In einem andern Fall habe die 3. Kammer einem Anwalt die Gerichtskosten auferlegt, als er gegen eine zu geringe Entschädigung aus unentgeltlicher Verbeiständung ans Sozialversicherungsgericht rekurrierte. Das Gericht zog für ihre neue Praxis eine Analogie zum Arbeitsrecht heran, um eine unbestrittene Praxis zu ändern. Die Beschwerde gegen diesen Entscheid wurde vom Bundesgericht in klaren Worten gutgeheissen, wie am 21. September bekannt wurde.

Zum Vorwurf der Hardlinerin meint Heine gegenüber Justizblog: „In der Regel wird ein Urteil am Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich von drei Richterinnen oder Richtern gefällt, die ausschliesslich dem Recht verpflichtet sind.“ Der ordentliche Spruchkörper der 3. Kammer des Sozialversicherungsgerichts bestehe neben ihr aus Frau Verena Daubenmeyer (SP) und Frau Dr. Esther Annaheim (SP). „Rückschlüsse auf Parteizugehörigkeit bei einem Dreiergremium ist deshalb abwegig, zumal grundsätzlich die Urteilsanträge durch die Gerichtsschreiber verfasst werden und wir RichterInnen, wenn möglich mit der nötigen Zurückhaltung Korrekturen vornehmen.“

Von Insidern des Zürcher Sozialversicherungsgerichts wird dies relativiert. Die beschriebene Zusammensetzung der 3. Kammer treffe nur formell zu. Oft Entscheide Heine auch mit dem SVP-Ersatzrichter Vogel zusammen, der sowohl als Gerichtsschreiber und als Ersatzrichter amte.

Klare Rückschlüsse auf Heines Haltung lassen sich aus einem Interview ziehen, das die Richterin im Jahre 2008 dem Zürcher SVP-Blatt „Zürcher Bote“ gab. Dort kommt durchaus eine harte Haltung gegenüber Sozialversicherungsbegügern zum Ausdruck.

Interessant ist auch, dass Heine die Lebenspartnerin von Alexander Segert ist, dessen Werbeagentur verschiedene SVP-Kampagnen entworfen hat und für das Minarett-Attack-Spiel verantwortlich ist. Deshalb musste sich Segert in Österreich wegen Volksverhetzung vor Gericht verantworten.

Die hobbymässige Dressurreiterin Heine (Jahrgang 1969, Schwester von Ruderer Xeno Müller) machte eine steile juristische Karriere. Dazu das vorläufige Resultat einer SMD-Recherche:

Dissertation 1996 an der HSG unter dem ledigen Namen Alexia Petra Müller zu „Der europäische Gerichtshof im Spannungsfeld von Subsidiarität und Integration“.

1999 Personalchefin beim Basler Chemie-Unternehmen Clariant. Geschäftsführerin des Schweizer Sportmuseums.

Später Leiterin des Rechtsdienstes für die Arbeitslosenkasse in Winterthur,

Gerichtsschreiberin am damaligen Eidgenössischen Versicherungsgericht in Luzern,

2007 Kandidatin für den Nationalrat auf der SVP-Liste des Kantons Zürich,

2008 Wahl ans Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich,

Im Juni 2008  sorgte Heine für Wirbel mit der Kritik an der Zusammensetzung des Spruchkörpers beim Einbürgerungsentscheid des Bundesgerichts. Darauf wurde in der NZZ vom 19. Juni 2008 der Leserbrief eines „Dr. iur. Peter Rudolf (Basel)“ publiziert:

„Sollten die Berichterstattung über die Tagung der Zürcher SVP (NZZ 9. 6. 08) und die Ausführungen von Alexia Heine zutreffen, handelt es sich um skandalöse Aussagen der Richterin. Die Vorstellung, im Einzelfall die Kammern des Bundesgerichts nach politischen Gesichtspunkten und nach Proporz zusammenzusetzen, ist inakzeptabel. Der Verweis auf die Tatsache, dass ein Bündner Richter an einem Entscheid, welcher der SVP Zürich nicht passt, mitgewirkt hat, disqualifiziert Frau Heine für jede richterliche Tätigkeit. Die Wähler im Kanton Zürich sind gefordert.“

Zu diesem Wirbel meint Heine heute auf Anfrage, der Leserbrief beziehe sich auf ihr Referat an der erwähnten SVP-Tagung, das von der NZZ verkürzt und verfälscht widergegeben worden sei. In ihrem Vortrag über die richterliche Unabhängigkeit und den Parteienproporz habe sie sich mit der Tatsache auseinandergesetzt, dass in der Schweiz  Richter und Richterinnen auf Kantons- und Bundesebene nach dem Parteienproporz gewählt würden. Durch diesen Mechanismus würden unter anderem auch die Kastenbildung, wie wir sie aus anderen Ländern kennen, verhindert, beschreibt Heine die Vorteile dieses Vorgehens. Zudem könne die Proporzwahl der RichterInnnen dazu beitragen, dass Gerichtsentscheide eine höhere Akzeptanz bei den politischen Parteien und dadurch bei der Bevölkerung finden.

„In meinem Referat an der erwähnten SVP-Tagung ging es genau um diese Frage“, erklärt Heine. „Am Beispiel des Urteils über die Einbürgerung, habe ich versucht deutlich zu machen, dass die Akzeptanz des Urteils innerhalb der SVP vielleicht eher gegeben gewesen wäre, wenn ein SVP-Richter das Urteil mitgetragen hätte.“ Dabei sei ihr durchaus bewusst, dass der Parteienproporz weder auf Bundesebene noch auf kantonaler Ebene bis in die einzelnen Abteilungen runtergebrochen werden könne, weil die Unabhängigkeit der Judikative oberste Priorität habe und auch in der eigenen Organisation gegeben sein müsse.

Ab Juli 2009 war Heine Mitglied der Geschäftsleitung des Zürcher Sozialversicherungsgerichts,

November 2009 Wahl ins siebenköpfige Aufsichtsgremium der SRG-Deutschscheiz („aufgrund unseres Druckes“ – wie SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner dem „Sonntag“ erklärt),

Juli 2010 Vizepräsidentin des Sozialversicherungsgerichts Zürich

Juli 2011 Präsidentin des Sozialversicherungsgerichts Zürich.

Am 26. September 2012 mit 154 von 174 Stimme zur Bundesrichterin gewählt.

Weshalb der Justizjournalismus in Helvetien darbt

Embedded Journalists, unerfahrene Gerichtsreporter, Desinteresse der Medien und die Angst der Justizbehörden vor Transparenz sind vier Gründe für das Malaise des Justizjournalismus in der Schweiz. Vier Forderungen, um dies zu ändern.

Der kritische Justizjournalismus darbt in der Schweiz. Das hat mit vier Gründen zu tun: Erstens bauen die Medien die Justizberichterstattung ab. So berichten heute selbst in der NZZ nur drei Personen über Justiz, hingegen fast zwei Dutzend Leute über Parlament und Regierung in Bund und Kanton Zürich. Das Missverhältnis in der Berichterstattung über die drei Gewalten ist bei andern Zeitung kaum anders. Oder kann sich jemand daran erinnern, dass Bundesrichterkandidaten vor den Wahlen ähnlich geröntgt wurden wie Bundesräte und Parlamentarier?

Zweitens sind die regelmässigen Gerichtsberichterstatter, welche die Kompetenz zur Justizkritik haben,  meist embedded journalists, die aus Rücksicht auf das Justiz-Biotop, in dem sie selbst leben, nicht alles schreiben können, was wichtig wäre. Drittens ist die grosse Masse der Gerichtsberichterstatter  unerfahren und vermeldet nur Sensationen, übt hingegen keine fundierte Justizkritik. Dass da die Justizbehörden von Polizei über Staatsanwaltschaften bis zu den Gerichten misstrauisch sind, ist zumindest zum Teil verständlich. Doch dies erklärt die Angst der Justizbehörden vor Transparenz bei weitem nicht, die viertens Justizkritik erschwert.

Schade eigentlich, denn Justizjournalismus tut not in der Schweiz. Er müsste drei Fragen stellen:

1. Liegt ein Justizfehler vor? (Wie zum Beispiel beim Bundesgerichtsentscheid zu Swissmedic)

2. Ist das juristisch korrekte Urteil auch gerecht? (Eine Frage, die sich zum Beispiel beim Fall Wyler/Zopfi stellt)

3. Gibt es Dysfunktionen im Justizsystem? (Wie zum Beispiel im Bezirk March, wo Anwälte und Richter Herrenabende feiern und sich danach wieder vor und hinter den Schranken des Gerichts unbefangen begegnen)

Damit Justizjournalismus und Justizkritik in der Schweiz diesen Fragen wieder fundiert nachgehen können, müssen 4 Forderungen erfüllt werden:

1. Sämtliche Justizbehörden müssen Zugang zu ihren Entscheiden gewährleisten. Kostenlos und schnell.

2. Justizjournalismus ist als spannendes Berufsfeld für Juristen bekannt zu machen.

3. Rechtswissenschaftliche Lehre und Justizjournalisten sollten häufiger zusammenarbeiten, denn beide machen das gleiche – wenn auch in unterschiedlichen Diskursen.

4. Medien sollten der Justizberichterstattung und der Justizkritik mehr Raum geben.

Also Bodenpersonal Justitias rege Dich!

Das fürstliche Ruhegehalt der Bundesrichter

Hat ein Bundesrichter auch nur einen Tag gearbeitet, erhält er ein Ruhegehalt von rund 100’000 Franken bis ans Lebensende. Hält er 15 Jahre durch, bezieht er derzeit maximal 176’000 Franken.

Bundesräte,  Bundeskanzlerin und Bundesrichter müssen nicht um ihre Renten zittern: Sie können ihre Pensionskassenguthaben aus vorgängigen Tätigkeiten bei der Wahl auf einem Freizügigkeitskonto parkieren, zahlen auch während ihrer Amtsdauer keinen Rappen in die Pensionskasse des Bundes ein, erhalten dann aber ein fürstliches Ruhegehalt. Nach vier Amtsjahren beziehen die Bundesräte eine Monatsrente von 18’333 Franken, 220’00 Franken pro Jahr. Die Bundesrichter habens noch besser: Sie erhalten ein jährliches Ruhegehalt von 100’000 Franken, wenn sie auch nur einen einzigen Tag als höchste Schweizer Richter gearbeitet haben. Halten Sie 15 Jahre durch, sind es 176’000 Franken.

Begründet wird dieses Privileg vom Bundesrat jeweils damit, dass sie „ihr Amt aus staatspolitischen Überlegungen in absoluter Unabhängigkeit von finanziellen und vorsorgerechtlichen Erwägungen antreten, ausüben und aufgeben können“. Das sei ein alter Zopf, kritisiert nun der Basler Staatsrechtsprofessor Markus Schefer. Bundesrichter verlören nicht ihre Unabhängigkeit, wenn sie in eine Pensionskasse einzuzahlen hätten. „Bundesrichter entscheiden ja oft Fragen, die auch sie selbst betreffen könnten – sei es im Strassenverkehrsrecht, im Steuerrecht oder eben bei Pensionskassenregelungen.“ Schefer hält hingegen das Ruhegehalt für Bundesräte für gerechtfertigt, weil diese ja den Mindestzins festzulegen hätten.

Bereits vier Vorstösse von linken bis rechten Parlamentariern versuchten die Ruhegehälter der Magistratspersonen abzuschaffen oder zu senken. Erfolglos. Das rächt sich nun bei der aktuellen Bundesratswahl: SP-Kandidat Alain Berset ist 39 Jahre alt. Würde er am 14. Dezember gewählt und träte nach vier Jahren zurück, könnte das den Steuerzahler Millionen Franken an Ruhegehalt kosten. SP-Präsident Christian Levrat, der noch vor Jahresfrist gefordert hatte, „die Bundesratsrente gehört abgeschafft“, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

In den Kantonen ist das Ruhegehalt für Magistratspersonen ein Auslaufmodell: Zürich hats 2009, der Thurgau 2005 und Luzern bereits 2003 abgeschafft. Der Kanton St. Gallen debattiert gerade darüber.

Mehr im aktuellen Beobachter

Ein Weckruf des Bundesgerichts

Das Bundesgericht 
verlangt die Freilassung eines Verwahrten. 
Das ist ein Weckruf – auch für IV-Stellen und 
Migrationsämter.

Vor sieben Jahren wurde ein Mann verwahrt – wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand. Ihm drohte lebenslange Haft, obwohl ein psychiatrisches Gutachten zum Schluss kam, dass der alkoholsüchtige Mann kaum schwere Delikte begehen würde. Die 
Verwahrung war nur möglich, weil die Zürcher Justizbehörden das Gutachten in «unzulässiger Weise uminterpretiert» haben. So das Urteil 
des Bundesgerichts von Mitte November, das die Behörden anwies, den Mann freizulassen.

Damit stemmen sich die höchsten Schweizer Richter gegen Volkes Stimme, die nach dem Mord an Pasquale Brumann 1993 aus Angst vor Gewalttaten immer lauter verlangt, Menschen im Zweifel wegzusperren. Justizbehörden, kantonale Gerichte und Fachkommissionen geben diesem Druck immer stärker nach. Heute wird im Zweifel verwahrt. Und wer verwahrt ist, soll nie mehr rauskommen. Zu diesem Zweck schrecken Behörden offenbar nicht einmal davor 
zurück, Gutachten in «unzulässiger Weise umzuinterpretieren».

Der Entscheid des Bundesgerichts war ein dringend nötiger Weckruf für die Justizbehörden, nicht aus Angst vor medialem oder politischem Druck in Willkür zu verfallen. Damit nimmt das Gericht seine zentrale Rolle wahr: jene des Gegengewichts gegen Vor-Urteile, das umso nötiger ist, je emotionaler ein Thema diskutiert wird.

In jeder Zeit gibt es Fragen, an denen sich die öffentliche Meinung heftig entzündet. Bis Anfang der 1980er Jahre 
waren das zum Beispiel Sexual- und Arbeits­moral. Menschen wurden auf unbestimmte Zeit weggesperrt, bloss weil sie als «liederlich» oder «arbeitsscheu» galten. Laien fällten diese Entscheide über Mütter mit unehelichen Kindern oder Jugendliche, die nicht Bäcker, sondern ­Matrosen werden wollten. Kein Gericht konnte diese Laienbeschlüsse überprüfen. Seit 1981 ist das anders. Es kommt niemand mehr in den Knast, bloss weil er gegen Sexual- oder Arbeitsmoral verstossen hat. Und alle Freiheitsentzüge werden von Gerichten überprüft. Die Schweiz hat etwas gelernt.

Es war nicht der erste Lernschritt. So hat man im Laufe der Jahrhunderte herausgefunden, dass es beim Richten am wenigsten Fehler gibt, wenn gewisse grundsätzliche Regeln eingehalten werden. Erste Regel: Nur der Staat darf strafen. Die Lynchjustiz macht Fehler, weil Menschen mit einem Stein in der Hand zu oft den Falschen treffen. Zweite Regel: Jeder starke Eingriff in persönliche Rechte muss von unabhängigen Gerichten überprüft werden können. Denn 
Ämter, die direkt mit Betroffenen zu tun haben, sind zu befangen. Dritte Regel: Es gibt Grundrechte, die man keinem Menschen nehmen darf, weil sie ihm als Mensch zustehen. Vierte Regel: Die absolute Wahrheit kennt keiner. Nur faire Verfahren bringen uns der Wahrheit näher. So hat zum Beispiel jeder Angeklagte ein Recht auf einen Anwalt und kann Gutachten bean­tragen, die Behörden und Richter nicht «in 
unzulässiger Weise uminterpretieren» dürfen.

Beim jüngsten Bundesgerichtsentscheid geht es also nicht bloss um die Freiheit eines Alkohol­kranken, auch nicht nur um den Umgang mit Verwahrten. Nein, die höchs­ten Richter erinnern grundsätzlich daran, die rechtsstaatlichen Grund­regeln anzuwenden, auch oder gerade wenn der öffentliche Druck gross ist.

Dieser Weckruf sollte auch von 
IV-Stellen, Sozial- und Migrations­ämtern gehört werden. IV- und 
Sozialhilfeempfänger stehen unter dem Generalverdacht des Sozial­missbrauchs, Asylbewerber und 
Ausländer gelten vielen als schma­rotzende Wirtschaftsflüchtlinge 
oder Profiteure. Allzu schnell geraten auch hier die vier goldenen Regeln von nachhaltigen und gerechten Entscheiden unter die Räder. So mussten die Bundesrichter Ende Juni bei der 
IV einschreiten. Die Gutachter seien von den IV-Stellen zu stark abhängig, rügten sie. So sei ein faires Verfahren nicht garantiert.

Wenig Schutz gegen den Druck der öffent­lichen Meinung gibt es in der Schweiz hingegen für Ausländer ohne Identitätspapiere, sogenannte Sans-Papiers. Ihnen hat das Parlament ein grundsätzliches Recht genommen, das 
jedem Menschen zusteht: die Ehefreiheit. Seit Anfang Jahr dürfen Sans-Papiers – und allenfalls in sie verliebte Schweizer – nicht mehr heiraten. Diesen Entscheid kann in der Schweiz das Bundesgericht nur wegen eines Kunstgriffs korrigieren. Es gewichtet die EMRK als Staatsvertrag höher als die Verfassung und überprüft die Gesetze des Bundesparlaments auf EMRK-konformität, obwohl es an die Verfassung gebunden ist. Mit der Debatte um die Heiratsverbot könnte diese Verfassungsgerichtsbarkeit light zum Politikum werden.

Volkes Stimme: Kugel in den Bauch ist ok.

Krakelt ein betrunkener Serbe einsam in seiner Wohnung herum, dürfen in Nahkampf trainierte, hoch gerüstete Polizeigrenadiere seine Tür rammen und ihm zwei Kugeln in den Bauch schiessen, wenn er mit einem 11cm langen Küchenmesser einen Ausfallschritt gegen einen der kugelgesicherten Polizisten macht. So Volkes Meinung in Leserreaktionen.

Der Bericht über das Strafverfahren gegen den Polizeigrenadier, der den betrunkenen Serben Zeljko B., der bloss sich selbst umzubringen drohte, mit zwei Kugeln in den Bauch invalid schoss, hat zahlreiche Zuschriften ausgelöst. Alle gleich im Ton: „ich bin der meinung das zeljko b. ganz selber schuld ist daran was passiert ist.“, schreibt etwa Monika Steimer aus Au. „hätte er nicht getrunken, nicht randaliert, so dass seine familie zu nachbarn flüchten mussten, so wäre das alles nicht passiert. ich finde der polizist hat völlig zu recht gehandelt.“

Und ganz grundsätzlich wird Hans L. Cattaneo aus Winterthur: „Auf das Getue der Juristen und den Menschenrechts-Juristen in Strassburg können wir diesem Fall aber wirklich verzichten. Freuen wir uns, dass ausser dem Bauch des Täters niemand etwas abbekommen hat.“

Ungefilterte Stimmen, die allen Praktikern im Justizapparat zum Nachdenken empfohlen seien. Nicht weil sie richtig sind, sondern weil sie ausdrücken, was offenbar viele Schweizer glauben. Es zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, Strafrecht und entsprechende Urteile immer wieder in einfacher Sprache zu erklären. So haben die Leserbriefschreiber im konkreten Fall in ihrem Reflex nicht einmal wahrgenommen, dass es derzeit „bloss“ um ein faires Verfahren geht.