Steuergeheimnis gelockert: Strafbefehle der Steuerverwaltung einsehbar

Die eidgenössische Steuerverwaltung ESTV legt ihre Strafbefehle ab November 2020 zur Einsicht auf, allerdings nur anonymisiert. Trotzdem ist dies ein Sieg des Journalisten Mischa Aebi, der dieses Recht vor Bundesverwaltungsgericht erstritten hat.

Wer vorsätzlich oder fahrlässig falsche Angaben macht, wenn er die Mehrwertsteuer abrechnet, kann von der eidgenössischen Steuerverwaltung ESTV mit einer Busse bis 400’000 Franken bestraft werden (Steuerhinterziehung – Art. 96 MwStG). Eine Busse droht etwa auch, wer sich nicht korrekt bei den Steuerbehörden anmeldet, obwohl er steuerpflichtig ist (Art. 98 Abs. 1 Bst. a MwStG). Das sind nur zwei Strafbestimmungen des Mehrwertsteuergesetzes. Und im Verrechnungssteuergesetz gibt es analoge Strafbestimmungen (Art. 61 VStG).

Gebot der Justizöffentlichkeit auch im Steuerbereich anwendbar

Alle diese Strafbestimmungen führen zu Strafbefehlen und Strafverfügungen, die die ESTV ausfällt. Weil es sich dabei um Entscheide des Verwaltungsstrafrechts handelt, fallen sie unter das verfassungsmässige Gebot der Justizöffentlichkeit (Art. 30 Abs. 3 BV) und müssen somit öffentlich verkündet werden. Das Steuergeheimnis hat gemäss Bundesverwaltungsgericht zwar einen hohen Stellenwert, steht aber der Gerichtsöffentlichkeit gemäss Art. 30 Abs. 3 BV nicht grundsätzlich entgegen (Erw. 4.7, 4.8). Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Leitentscheid nun erstmals festgehalten (Urteil A-1878/2018 vom 27. Mai 2020).

Zugang nur zu anonymisierten, rechtskräftigen Entscheiden

Weil das Steuergeheimnis aber einen hohen Stellenwert hat, bejaht das Gericht einen Anspruch auf Zugang nur zu anonymisierten Strafbefehlen der ESTV. Angaben zu den finanziellen Verhältnissen der Betroffenen sollen im Gegenzug nicht immer geschwärzt werden (Erw. 4.9). Nicht-anonymisierte Entscheide sind aber nur dann einsehbar, wenn das öffentliche Interesse an Transparenz den Schutz der finanziellen Privatsphäre überwiegt.

Damit ist der Zugang anders geregelt als bei Strafbefehlen der Staatsanwaltschaften oder von anderen Verwaltungsbehörden: Da besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Einsicht in nicht-anonymisierte Entscheide (vgl. Leitentscheid 124 IV 234).

Ab November 2020 vor Ort bei der ESTV einsehbar

Bereits im Laufe des Verfahrens hat die ESTV angekündigt, dass sie in Zukunft laufend ihre Entscheide anonymisiert während 30 Tagen ab Rechtskraft zur Einsicht auflegen wird, ohne dafür Kosten in Rechnung zu stellen. Gemäss Mediensprecher Joel Weibel soll dies ab November 2020 der Fall sein: An einem der Standorte der ESTV können alle Interessierten auf Voranmeldung die anonymisierten, rechtskräftigen Entscheide an einem PC kostenlos durchscrollen. Auf Verlangen werden auch kostenlose Kopien abgegeben.

Ob allenfalls auch ein Newsletter abonniert werden kann, der periodisch eine Übersicht über die neuesten Entscheide aufführt (analog zur Lösung von Swissmedic), ist gemäss Mediensprecher Weibel noch nicht entschieden.

 

Vorratsdatenspeicherung ist verfassungsmässig: Adieu Quellenschutz

Nationalrat Balthasar Glättli und 5 weitere Personen (darunter ich) haben die Löschung unserer Vorratsdaten verlangt. Der Dienst ÜPF hat sie verweigert.  Nun hat das Bundesverwaltungsgericht unsere Beschwerde abgewiesen. Die Speicherung von Randdaten sei vereinbar mit der persönlichen Freiheit, der Meinungs-, Medien- und Versammlungsfreiheit und der Unschuldsvermutung.

Ich verlangte die Löschung unter anderem, weil der Quellenschutz ausgehebelt wird, wenn die Randdaten meiner digitalen Kommunikation sechs Monate lang gespeichert werden. Damit können Staatsanwälte nämlich rekonstruieren, wer wann wo wie lange mit mir als Journalist kommuniziert hat. In seinem Urteil hat sich das Gericht leider mit der Frage des Quellenschutzes nicht befasst. Das sei im Rahmen eines konkreten Strafverfahrens geltend zu machen, meinten die Bundesverwaltungsrichter. Nur: Journalisten erfahren gar nie, dass sie mitüberwacht werden, wenn sie mit einem Informanten telefonieren (sogenannter Beifang). Und können entsprechende Verfügungen mangels Parteistellung auch nicht anfechten.

Das musste und muss der renommierte Rechercheur Urs Paul Engeler erleben: Die Staatsanwaltschaft hat all seine Recherchegespräche mit Informanten im Fall Hildebrand ausgewertet und im Strafverfahren gegen sie verwendet. Engeler wusste davon bis zu Prozessbeginn nichts und erfuhr es erst durch Zufall (vgl. separaten Blog).

Nach diesem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sind die Berufsgeheimnisse von Anwälten, Priestern, Ärzten sowie der Quellenschutz von Journalisten faktisch ausgehebelt, denn gemäss Praxis (!) des Dienstes ÜPF werden die Randdaten einem anfragenden Staatsanwalt von den Telekomfirmen sofort ausgehändigt und das Zwangsmassnahmegericht entscheidet erst nach 5 Tagen, welche Daten (wegen Art. 271 Abs. 3 StPO – Schutz von Berufsgeheimnisträgern und Quellenschutz) ausgesondert werden müssen.

Faktisch weiss also der Staatsanwalt immer, mit welchen Quellen Journalisten kommuniziert haben, auch wenn er die Randdaten allenfalls als Beweis im Strafverfahren (zB wegen Amtsgeheimnisverletzung) nicht verwerten darf.

Ob wir das Urteil anfechten, ist noch offen.

Bis zu einem anders lautenden Urteil ist der rechtliche Quellenschutz im digitalen Zeitalter schwer eingeschränkt. Er greift nur noch als Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht oder als Editionsverweigerungsrecht bei Beschlagnahme von Dokumenten (beim Journalisten  und beim Informanten). Doch oft wird das wenig nützen, weil der Staatsanwalt über die Randdaten eh schon weiss, wer der Informant war und deshalb wegen einer Geheimnisverletzung angeklagt wird.

Wirklich nützen tut nur noch der technische Quellenschutz in der Vollausbauvariante: End-to-end Verschlüsselung + Surfen über Tor-Browser. Diese Infrastruktur müssen die Redaktionen bereit stellen, so die Forderung des Schweizer Recherchenetzwerkes investigativ.ch.

Einen Kurs dazu, wie das geht, biete ich an der Schweizer Journalistenschule MAZ an.

Mehr zur Rechtslage finden Sie in diesem Blogbeitrag: https://dominiquestrebel.wordpress.com/2016/04/11/prekaerer-quellenschutz-im-digitalen-zeitalter/, und bei der Digitalen Gesellschaft steht das Urteil im Volltext zum Download bereit: www.digitale-gesellschaft.ch

Richter müssen mit Namen hinstehen

Journalisten haben einen Anspruch darauf zu erfahren, welche Richter einen Entscheid gefällt haben. Das neueste Präjudiz des Bundesgerichts zeigt, wie schwer sich (andere) Gerichte mit Transparenz tun.

Ein Journalist des Beobachters wollte wissen, welche Richter an einem Grundsatzentscheid von 2005 der damaligen Asylrekurskommission (ARK) beteiligt waren. Es ging in diesem Urteil um die Frage, ob Personen aus Eritrea, die vor dem Armeedienst desertiert sind, als Flüchtlinge gelten. Der Generalsekretär des Bundesverwaltungsgerichts, in das die damalige ARK heute integriert ist, schickte dem Journalisten Auszüge des Urteils, verweigerte aber gestützt auf das Archivierungsreglement des Bundesverwaltungsgerichts (SR 152.13) und den Schutz von Treu und Glauben der damaligen Richter die Bekanntgabe der Namen der Richter.

Das Bundesgericht hält nun klipp und klar fest, dass die Bekanntgabe eines Urteils nicht durch irgendwelche Archivierungsreglemente, sondern einzig durch Art. 30 Abs. 3 BV geregelt wird, der die grundsätzliche Öffentlichkeit der Justiz festlegt.

Und: Der Anspruch der Medien auf Bekanntgabe von Urteilen schliesst gemäss Bundesgericht auch die Namen der beteiligten Richter ein: „Die Kenntnisnahme erstreckt sich grundsätzlich auf das ganze Urteil mit Sachverhalt, rechtlichen Erwägungen und Dispositiv“, schreiben die fünf Bundesrichter. „Eingeschlossen ist auch der Spruchkörper. Die mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz verbundene Kontrollfunktion durch die Rechtsgemeinschaft wäre massgeblich beeinträchtigt oder gar illusorisch, wenn die beteiligten Gerichtspersonen unbekannt bleiben könnten.“ Und dann schreiben die Bundesrichter einen Satz, der ins Stammbuch aller Gerichte gehört: „Richter und Richterinnen üben ein öffentliches Amt aus, haben für die von ihnen getragenen Urteilen einzustehen und sich allfälliger Kritik (…) zu stellen.“

Fürwahr. Leider wurde dies bei vielen Gerichten – nicht nur dem Kantonsgericht Schaffhausen, das die Einsicht ins Dispositif eines Strafurteils gegen einen Physiotherapeuten verweigert – noch nicht wirklich zur Kenntnis genommen. Wieviele Bundesgerichtsentscheide braucht es noch, bisauch den unteren Instanzen klar ist, dass Medien in der Regel einen Anspruch auf Einsicht in Urteile haben?

Suisa erlässt flugs neuen Tarif

Nachdem die Suisa mit ihrer Urheberrechtsabgabe für Ferienwohnungsbesitzer vor Bundesgericht gescheitert ist, hat sie die umstrittene Regelung flugs in einen neuen Zusatztarif gepackt. Er wurde von der eidgenössischen Schiedskommission genehmigt und auf den 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt (GT3aZusatz_2013-2013_GER).

Der Preisüberwacher hat eine schriftliche Begründung verlangt und die Frist für eine Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht läuft. Hauptkritikpunkt: Nur eine marginale Zahl der Ferienwohnungsbesitzer  war Vertragspartei. Nämlich nur jene, welche ihre Ferienwohnungen  klassifizieren lassen und das Zurverfügungstellen eines TVs oder eines  Radios zu Werbezwecken verwenden. Der Aufwand für eine Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht ist für eine Privatperson gross. Alternativ steht die Möglichkeit einer Aufsichtsbeschwerde ans Institut für geistiges Eigentum offen. Ob eine Beschwerde ergriffen wird, steht derzeit noch offen.

Deshalb gilt vorerst:
Die Vergütung für Nutzungen nach diesem Tarif in Ferienwohnungen, Ferienappartements oder Ferienhäuser beträgt unabhängig von der Fläche der Räumlichkeiten und der Anzahl Geräte, je nach Dauer der effektiven Vermietung pro Kalendermonat und vermieteter Einheit:

Vermietdauer                   Urheberrechte  Verwandte Schutzrechte                             Zusammen
10 – 12 Monate/Jahr      CHF 299.70        CHF 99.90                                          CHF 399.60
7 – 9 Monate/Jahr          CHF 224.775      CHF 74.925                                        CHF 299.70
4 – 6 Monate/Jahr          CHF 149.85        CHF 49.95                                          CHF 199.80
bis 3 Monate/Jahr          CHF 74.925        CHF 24.975                                        CHF 99.90

Zur Berechnung der Vergütung werden die Wochen, in denen das Objekt effektiv vermietet wird, zusammengezählt. Der Vermieter meldet der SUISA für welche Dauer pro Jahr das Objekt üblicherweise effektiv vermietet wird bzw. für wie viele Monate er die Rechte erwerben will.

Suisa muss Gebühren zurückzahlen

Die Suisa hat von Ferienhausbesitzern, Hotels und Spitälern jahrelang Urheberrechtsgebühren einkassiert – ohne Rechtsgrundlage. Dies hat das Bundesgericht (2C_580_2012) am 13. November 2012 entschieden, wie heute bekannt gegeben wurde.

Rund 400 Franken musste der 81-jährige Hans Wehrli pro Jahr an Urheberrechtsgebühren bezahlen, weil er sein Ferienhaus auch an Dritte vermietete. Sein Sohn wunderte sich und wollte die gesetzliche Grundlage nachschlagen. Doch die fand er nicht. Und auch die Suisa konnte sie nicht nennen. Zwar behauptete sie, das sei im Tarif vermerkt. Doch da fand sich nichts.

Darum machte der alte Mann mit Hilfe seines Sohnes eine Aufsichtsbeschwerde ans Institut für geistige Eigentum (IGE). Auch Gastrosuisse hatte gerügt, dass es für die Erhebung von Urheberrechtsgebühren in Hotels und Spitalzimmern keine gesetzliche Grundlage gebe. Prompt erhielten die Beschwerdeführer vom IGE recht.

Dadurch liessen sich Suisa und die Verwertungsgesellschaften sowie die einkassierende Billag nicht beirren. Sie kassierten munter weiter und beschrieben in ihren Briefen an die Ferienhausbesitzer die Rechtslage sogar falsch.

Erst als die Suisa auch vor Bundesverwaltungsgericht verlor, sistierte sie die Rechnungen. Trotzdem stehen jetzt grosse Rückforderungen an. Die Suisa schätzt sie auf 250’000 Franken pro Jahr. Unklar sei, für wie viele Jahre die Zahlungen zurückgefordert werden können.

Eigentlich ist das meines Erachtens ziemlich klar: Es handelt sich um eine vertragliche Forderung, die nach 10 Jahren verjährt. Somit können die Zahlungen der letzten 10 Jahre zurückgefordert werden: 2,5 Millionen Franken also. Und das ist noch konservativ gerechnet. Mussten doch alleine die Ferienhausbesitzer 400 Franken pro Jahr zahlen. Gemäss Billag waren 1400 Ferienhausbesitzer abgabepflichtig. Somit ergibt sich pro Jahr eine Rückforderungssumme von 560’000 Franken. Auf 10 Jahre zurück also 5,6 Millionen Franken. Alleine für die Ferienhausbesitzer.

Ein zusätzliches Problem ergibt sich, wenn die Urheberrchtsentschädigungen bereits an die Musiker und beteiligten Künstlerinnen ausgeschüttet wurden. Viel Juristenfutter also – auch wegen der sturen Haltung der Suisa weiterzukassieren während laufendem Verfahren.

Am 22. November 2012 teilte die Suisa in einer Pressemitteilung mit, dass per 1. Januar 2013 ein Zusatztarif zum GT3a in Kraft treten soll. In diesem sind Hotelzimmer, Ferienwohnungen etc. explizit aufgeführt. Die Suisa „hofft nun, dass wir bald eine rechtlich ausreichende Grundlage haben, um für diese Nutzungen die Urheber entschädigen zu können.“ Auch da werden wohl Preisüberwacher, Institut für geistiges Eigentum und die Gerichte noch ein Wort mitzureden haben.

Nachtrag vom 2. Januar 2013: Die Suisa hat die umstrittene Regelung nach dem Bundesgerichtsurteil flugs in einen neuen Zusatztarif gepackt (GT3aZusatz_2013-2013_GER), der am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist. Die eidgenössische Schiedskommission hat den Tarif genehmigt, der Preisüberwacher hat eine schriftliche Begründung verlangt und die Frist für eine Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht läuft.

Bundesrichterwahlen: Die Kandidaten

Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt als Bundesrichter, Bundesverwaltungsrichter oder Bundesstrafrichter werden in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Justizblog versucht das zu ändern.

Wer hat Erfahrungen mit folgenden Personen, die von der Gerichtskommission zur Wahl vorgeschlagen werden? Antworten entweder via Xing oder auf mein Mail (vorname.nachname-at-gmx.ch). Kommentare werden nicht (mehr) aufgeschaltet, da die Gefahr von einseitigen Darstellungen zu gross wurde.

Die Wahl ist bereits am 26. September 2012. Deshalb ist eine Kontrolle erschwert. Im Unterschied zu Bundesratswahlen bleibt sehr wenig Zeit, um die Qualität der Spitzen der 3. Gewalt zu überprüfen.

Hier die am 18. September 2012 von der Bundesverwaltung öffentlich gemachten Namen:

  1. Frau Alexia Heine (SVP), Präsidentin des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich, als hauptamtliche Richterin des Bundesgerichts;
  2. Herrn Maurizio Greppi-Erb (SP), leitender Gerichtsschreiber am Kantonsgerichts Basel-Land, und Herrn Jürg Steiger (SVP), Gerichtsschreiber am Bundesverwaltungsgericht, als Richter des Bundesverwaltungsgericht.

Geschädigtenanwältinnen und Geschädigtenanwälte meldeten innert 48 Stunden vor allem Bedenken gegenüber Alexia Heine an, die als Hardlinerin im Sozialversicherungsrecht gelte. Die 3. Kammer des Zürcher Sozialversicherungsgerichts, die Heine derzeit präsidiert, falle durch harte bis kleinliche Urteile auf.

So schildert ein Geschädigtenvertreter den Fall eines Ergänzungsleistungs-Bezügers, dem diese 3. Kammer die unentgeltliche Rechtspflege verweigert habe mit dem Argument, nach Anrechnung des Freibetrages würden ihm ja monatlich noch 170 Franken Überschuss bleiben. In einem andern Fall habe die 3. Kammer einem Anwalt die Gerichtskosten auferlegt, als er gegen eine zu geringe Entschädigung aus unentgeltlicher Verbeiständung ans Sozialversicherungsgericht rekurrierte. Das Gericht zog für ihre neue Praxis eine Analogie zum Arbeitsrecht heran, um eine unbestrittene Praxis zu ändern. Die Beschwerde gegen diesen Entscheid wurde vom Bundesgericht in klaren Worten gutgeheissen, wie am 21. September bekannt wurde.

Zum Vorwurf der Hardlinerin meint Heine gegenüber Justizblog: „In der Regel wird ein Urteil am Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich von drei Richterinnen oder Richtern gefällt, die ausschliesslich dem Recht verpflichtet sind.“ Der ordentliche Spruchkörper der 3. Kammer des Sozialversicherungsgerichts bestehe neben ihr aus Frau Verena Daubenmeyer (SP) und Frau Dr. Esther Annaheim (SP). „Rückschlüsse auf Parteizugehörigkeit bei einem Dreiergremium ist deshalb abwegig, zumal grundsätzlich die Urteilsanträge durch die Gerichtsschreiber verfasst werden und wir RichterInnen, wenn möglich mit der nötigen Zurückhaltung Korrekturen vornehmen.“

Von Insidern des Zürcher Sozialversicherungsgerichts wird dies relativiert. Die beschriebene Zusammensetzung der 3. Kammer treffe nur formell zu. Oft Entscheide Heine auch mit dem SVP-Ersatzrichter Vogel zusammen, der sowohl als Gerichtsschreiber und als Ersatzrichter amte.

Klare Rückschlüsse auf Heines Haltung lassen sich aus einem Interview ziehen, das die Richterin im Jahre 2008 dem Zürcher SVP-Blatt „Zürcher Bote“ gab. Dort kommt durchaus eine harte Haltung gegenüber Sozialversicherungsbegügern zum Ausdruck.

Interessant ist auch, dass Heine die Lebenspartnerin von Alexander Segert ist, dessen Werbeagentur verschiedene SVP-Kampagnen entworfen hat und für das Minarett-Attack-Spiel verantwortlich ist. Deshalb musste sich Segert in Österreich wegen Volksverhetzung vor Gericht verantworten.

Die hobbymässige Dressurreiterin Heine (Jahrgang 1969, Schwester von Ruderer Xeno Müller) machte eine steile juristische Karriere. Dazu das vorläufige Resultat einer SMD-Recherche:

Dissertation 1996 an der HSG unter dem ledigen Namen Alexia Petra Müller zu „Der europäische Gerichtshof im Spannungsfeld von Subsidiarität und Integration“.

1999 Personalchefin beim Basler Chemie-Unternehmen Clariant. Geschäftsführerin des Schweizer Sportmuseums.

Später Leiterin des Rechtsdienstes für die Arbeitslosenkasse in Winterthur,

Gerichtsschreiberin am damaligen Eidgenössischen Versicherungsgericht in Luzern,

2007 Kandidatin für den Nationalrat auf der SVP-Liste des Kantons Zürich,

2008 Wahl ans Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich,

Im Juni 2008  sorgte Heine für Wirbel mit der Kritik an der Zusammensetzung des Spruchkörpers beim Einbürgerungsentscheid des Bundesgerichts. Darauf wurde in der NZZ vom 19. Juni 2008 der Leserbrief eines „Dr. iur. Peter Rudolf (Basel)“ publiziert:

„Sollten die Berichterstattung über die Tagung der Zürcher SVP (NZZ 9. 6. 08) und die Ausführungen von Alexia Heine zutreffen, handelt es sich um skandalöse Aussagen der Richterin. Die Vorstellung, im Einzelfall die Kammern des Bundesgerichts nach politischen Gesichtspunkten und nach Proporz zusammenzusetzen, ist inakzeptabel. Der Verweis auf die Tatsache, dass ein Bündner Richter an einem Entscheid, welcher der SVP Zürich nicht passt, mitgewirkt hat, disqualifiziert Frau Heine für jede richterliche Tätigkeit. Die Wähler im Kanton Zürich sind gefordert.“

Zu diesem Wirbel meint Heine heute auf Anfrage, der Leserbrief beziehe sich auf ihr Referat an der erwähnten SVP-Tagung, das von der NZZ verkürzt und verfälscht widergegeben worden sei. In ihrem Vortrag über die richterliche Unabhängigkeit und den Parteienproporz habe sie sich mit der Tatsache auseinandergesetzt, dass in der Schweiz  Richter und Richterinnen auf Kantons- und Bundesebene nach dem Parteienproporz gewählt würden. Durch diesen Mechanismus würden unter anderem auch die Kastenbildung, wie wir sie aus anderen Ländern kennen, verhindert, beschreibt Heine die Vorteile dieses Vorgehens. Zudem könne die Proporzwahl der RichterInnnen dazu beitragen, dass Gerichtsentscheide eine höhere Akzeptanz bei den politischen Parteien und dadurch bei der Bevölkerung finden.

„In meinem Referat an der erwähnten SVP-Tagung ging es genau um diese Frage“, erklärt Heine. „Am Beispiel des Urteils über die Einbürgerung, habe ich versucht deutlich zu machen, dass die Akzeptanz des Urteils innerhalb der SVP vielleicht eher gegeben gewesen wäre, wenn ein SVP-Richter das Urteil mitgetragen hätte.“ Dabei sei ihr durchaus bewusst, dass der Parteienproporz weder auf Bundesebene noch auf kantonaler Ebene bis in die einzelnen Abteilungen runtergebrochen werden könne, weil die Unabhängigkeit der Judikative oberste Priorität habe und auch in der eigenen Organisation gegeben sein müsse.

Ab Juli 2009 war Heine Mitglied der Geschäftsleitung des Zürcher Sozialversicherungsgerichts,

November 2009 Wahl ins siebenköpfige Aufsichtsgremium der SRG-Deutschscheiz („aufgrund unseres Druckes“ – wie SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner dem „Sonntag“ erklärt),

Juli 2010 Vizepräsidentin des Sozialversicherungsgerichts Zürich

Juli 2011 Präsidentin des Sozialversicherungsgerichts Zürich.

Am 26. September 2012 mit 154 von 174 Stimme zur Bundesrichterin gewählt.

Suisa geht vor Bundesgericht

Die Suisa hat den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für vermietete Ferienwohnungen keine Urheberrechtsentschädigung erhoben werden darf, vor Bundesgericht angefochten. Trotzdem verzichtet sie vorerst auf die Erhebung der umstrittenen Gebühr. Bereits versendete Rechnungen wurden storniert.

Dies teilt die Suisa den Eigentümern von Ferienwohnungen in einem Schreiben mit. Sie betont darin aber auch, dass „die Verwertungsgesellschaften an ihrer Tarifauslegung festhalten“. Nach Auslegung der Suisa gibt es im aktuellen Urheberrechtstarif durchaus eine gesetzliche Grundlage für die Erhebung von Urheberrechtsgebühren auch für Radio- und Fernsehempfang in vermieteten Ferienwohnungen und Hotelzimmern.

Ein betroffener Ferienhauseigentümer hatte dies mittels Aufsichtsbeschwerde ans Institut für Geistiges Eigentum bestritten. Das IGE gab ihm im Juni 2011 Recht  und untersagte den Verwertungsgesellschaften, Urheberrechtsgebühren für vermietete Ferienwohnungen zu erheben, da eine gesetzliche Grundlage dafür fehle.

Suisa, Swissperform, Swissimage + Co fochten den Entscheid vor Bundesverwaltungsgericht an und erhoben die Gebühren weiterhin. Doch das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde der Verwertungsgesellschaften am 14. Mai 2012 ab. Diesen Entscheid überprüft nun das Bundesgericht.

Falls das Bundesgericht die Beschwerde ebenfalls abweist, müssen Suisa + Co all jene Gebühren zurückerstatten, die sie in den letzten 10 Jahren eingezogen haben. Dabei geht es um hunderttausende von Franken.