Seit Anfang Jahr mailt Swissmedic registrierten Journalistinnen und Journalisten vierteljährlich eine Liste aller Strafbescheide, Strafverfügungen und Einstellungsverfügungen, die das Schweizerische Heilmittelinstitut in den vorangegangenen drei Monaten erlassen hat. Gestützt darauf können Medienschaffende gezielt einzelne Entscheide anfordern, die ihnen per Mail zugestellt werden.
Die vierteljährlich vermailte Liste der Swissmedic-Entscheide ist zwar anonymisiert, enthält aber detaillierte Angaben zu den betroffenen Unternehmen und Personen. Die registrierten Journalisten können gestützt darauf während drei Monaten gezielt einzelne Strafbescheide und Strafverfügungen anfordern, die – sofern sie rechtskräftig sind – in nicht-anonymisierter Form zugemailt werden. Einstellungsverfügungen erhalten die Journalisten nur in anonymisierter Form, ausser wenn die Einstellung aus Opportunitäts- oder Verjährungsgründen erfolgte. Nicht-rechtskräftige Entscheide werden nicht zugemailt (aber offenbar auf der Liste aufgeführt).
Die Regelung von Swissmedic ist ein grosser Fortschritt, denn bei den meisten kantonalen Staatsanwaltschaften erfahren die Medienschaffenden gar nicht, welche Entscheide die Strafverfolger gefällt haben – ausser sie gehen regelmässig in deren Büros vorbei. Und dort liegen die Entscheide nur zwischen 7 und 30 Tagen auf (je nach Kanton verschieden). Zudem sind oft nicht einmal Kopien möglich.
Bei Swissmedic können sich Journalisten nun mit vertretbarem Aufwand ein Bild der Rechtspraxis machen und erhalten einfach und schnell Einsicht in nicht-anonymisierte Strafentscheide. Das ist wichtig bei einer Aufsichtsbehörde, die im Heilmittelbereich Strafmassnahmen verfügen kann – zum Beispiel gegen Online-Anbieter, die Medikamente ohne Rezept abgeben, gegen Pharmaunternehmen, die Ärzte mit Vorteilen ködern oder wenn Medikamente illegal eingeführt werden.
Aber wie jede Regelung steckt der Teufel im Detail:
Entscheidend für das Funktionieren der neuen Regelung wird sein, wie detailliert Swissmedic die Fälle in der vierteljährlich versandten Liste umschreibt. Denn Journalisten müssen sich über die Tragweite eines Falles ein Bild machen können. Zudem verpflichtet Swissmedic die registrierten Journalisten „sich in konkreten Fällen an Auflagen bzw. Weisungen der Swissmedic zu halten, inbesondere solche zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte betroffener Personen resp. schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen betroffener Unternehmen“. Auch da wird sich noch zeigen müssen, wie restriktiv dies Swissmedic handhabt. Weiter ist offen, wie Swissmedic Gesuche behandeln wird, mit denen Journalisten Zugang zu Strafentscheiden verlangen, die älter als drei Monate sind.
Zu bedauern ist grundsätzlich, dass Journalisten keinen Zugang zu nicht-rechtskräftigen Strafentscheiden erhalten. Damit verletzt Swissmedic das Verkündigungsgebot von Art. 30 Abs. 3 der Bundesverfassung. Diese Bestimmung orientiert sich nämlich an der mündlichen Urteilsverkündigung, wo der anwesenden Öffentlichkeit Urteile kundgetan werden, die notabene nicht rechtskräftig sind. Viele kantonale Staatsanwaltschaften handhaben das genauso verfassungswidrig.
Doch trotzdem ist die neue Zugangsregelung des Heilmittelinstituts ein wichtiger Schritt zu mehr Justizöffentlichkeit, an der sich die kantonalen Staatsanwaltschaften ein Vorbild nehmen können
Hier geht es zur Registierung.
Deklaration von Interessenbindungen: Der Autor hat als Berater an der Entwicklung des neuen Zugangssystems mitgearbeitet.
[…] Der Jurist und Journalist Dominique Strebel hat als Berater an der Entwicklung des neuen Zugangssystems von Swissmedic mitgewirkt und berichtet darüber ausführlich auf seinem Blog „Recht brauchbar“. […]