Gemeinnützige Organisationen profitieren vom neuen Strafrecht: 2010 erhielten sie drei Millionen Franken aus Wiedergutmachungszahlungen.
Plötzlich eine Million Franken auf dem Postcheckkonto – wer wünscht sich das nicht. Für die Schweizer Patenschaft für Berggemeinden wurde der Wunsch Realität. Am 15. Oktober 2010 rieb sich Barbla Graf, Geschäftsleiterin der Hilfsorganisation, die Augen: Da liegt eine neue Million auf dem Konto. Erst aus der Presse erfährt Graf, dass der Geldsegen vom russischen Milliardär Viktor Vekselberg sowie den beiden Investoren Ronny Pecik und Georg Stumpf stammt.
Die Patenschaft für Berggemeinden wie auch die Schweizer Berghilfe erhielten von den drei Financiers jeweils eine Million Franken. Dazu überwies das Trio acht Millionen ans Eidgenössiche Finanzdepartement (EFD). Dies aber nicht freiwillig: Mit dieser Geldsumme kauften sich die drei Beschuldigten von einem Strafverfahren wegen Börsendelikten frei. Das EFD stellte darauf das Verfahren wegen Wiedergutmachung (Art. 53 Strafgesetzbuch) ein.
«Wir haben uns über das Geld natürlich gefreut», meint Barbla Graf von der Patenschaft für Berggemeinden. «Woher das Geld stammt und weshalb es gezahlt wurde, stört uns nicht. Es ist Geld wie jedes andere auch.» Bemerkenswert ist das Resultat dennoch: Ein russischer Milliardär und zwei österreichische Investoren unterstützen nun also Wasserversorgungen, Kindergärten und Lawinenverbauungen in Schweizer Berggemeinden, weil sie bei der Übernahme der Firma Sulzer Anlass zu einer Strafuntersuchung wegen Meldepflichtverletzungen gaben.
Auf diese Art hat das EFD in den letzten neun Monaten drei weitere Verfahren erledigt: gegen die Unternehmer Giorgio Behr und Dieter Meier sowie gegen die Firma Laxey/Implenia. Insgesamt flossen 9,25 Millionen Franken an Wiedergutmachungszahlungen in die allgemeine Bundeskasse und zusätzliche drei Millionen an gemeinnützige Organisationen.
Ein gutes Geschäft für alle also. Werden diese strafrechtlichen Ablasszahlungen nun also zum Normalfall? «Nein», sagt EFD-Mediensprecher Roland Meier, «wir wenden diese Art von Einstellung von Strafverfahren zurückhaltend und nur auf Initiative der Beschuldigten an». Die Wiedergutmachungszahlungen liegen gemäss Meier zudem im oberen Bereich realistischer Bussen, die bei einer Verurteilung zu erwarten gewesen wären.
Dass die Wiedergutmachung Ausnahme und nicht Regel ist, bestätigt auch die Statistik: Von Oktober 2010 bis Juni 2011 hat das EFD 14 Strafanzeigen wegen Widerhandlungen gegen das Börsengesetz eingereicht, davon nur zwei wegen Wiedergutmachungen eingestellt und erste Bussen ausgesprochen.